Franz Xaver Kroetz' seltsame Spielchen mit Maria Simon machen den ZDF-Krimi “Die Tote im Moorwald“ sehenswert.

Hamburg. "Aufpass'n, gell, aufpass'n." Ausnehmend freundlich ist der Empfang für die junge Künstlerin Josefine Mehdorn bei der Ankunft im kleinen Dorf. Ungefragt erfährt sie gleich das neueste Geraune: Wieder ist ein junge Frau verschwunden, wie schon die Susanne vor drei Jahren. "Vorsicht, so ganz allein."

Josefine ist aus der Stadt und vor ihrem verheirateten Freund Simon ins Atelier einer stillgelegten Molkerei inmitten einer bedrohlich wirkenden oberbayerischen Moorlandschaft geflüchtet. Auf dem Marsch dorthin streift sie fast ein rasender Autofahrer. Der zweite hält an. "Ein exklusiver Shuttle-Service für die Frau Nachbarin." Es ist der Hausmeister in der Molkerei. "Mein Name ist Kamrad, wie Kamerad ohne e", stellt sich der freundlich lächelnde Graubart vor. Ob der Alte tatsächlich ein Kamerad für Josefine in dieser düsteren Einöde ist, soll sich wohl noch herausstellen.

Maria Simon und Franz Xaver Kroetz spielen in Hans Horns Thriller "Die Tote im Moorwald" das zentrale Paar. Josefine will einem Geheimnis auf die Spur kommen und herausfinden, wer ihr Vater war. Denn ihre verstorbene Mutter arbeitete in der Molkerei Moschhof und ging plötzlich fort, als sie mit ihr schwanger war. Kamrad andererseits scheint Geheimnisse zu haben, zu kennen oder zu verschweigen.

Die beiden kommen sich in der Einsamkeit näher. Näher als Josefine schließlich lieb ist. Kamrad ist zwar im rettenden Moment zur Stelle, als sie auf einem Spaziergang - erschreckt durch Schüsse - ins Moor gerät und zu versinken droht. Aber der "väterliche Freund" reagiert immer wieder überraschend oder rätselhaft. Bei einer von ihm gewünschten Porträtsitzung entkleidet er sich plötzlich oder möchte Josefine im Dirndl sehen, als die beiden das Dorffest besuchen. Eine ambivalente erotische Spannung knistert zwischen der Frau und dem Mann, der ihr Vater sein könnte.

Maria Simon und Franz Xaver Kroetz spielen diese für den Zuschauer zunächst unerklärliche Anziehung nie vordergründig aus. Sie lassen unausgesprochene Gedanken, die Emotionen und Unruhe gebändigt unter der Oberfläche spüren, bis sie schließlich schmerzlich und ungebremst ausbrechen. Bei Josefine ist es die Verletzung durch ihren Lover Simon (Felix Klare) und die sich hysterisch steigernde, schließlich begründete Angst vor Kamrad. Beinahe unmerklich wechselt Kroetz von humorvoller Herzlichkeit des väterlichen Freunds zu einem von Erinnerungen besessenen und überwältigten Menschen, dessen Einsamkeit, Trauer und Verzweiflung er in harschen Sätzen oder brutalen Handlungen andeutet. Der bayerische Dramatiker ist nicht nur einer der wichtigsten deutschen Theaterautoren, sondern zeigt sich immer wieder als großartiger Schauspieler - wenn er typgerecht besetzt ist. Sein skrupelloser Klatschkolumnist Baby Schimmerlos in Helmut Dietls Serie "Kir Royal" ist unvergessen, auch sein den Teufel überlistender Brandner Kaspar in Joseph Vilsmaiers Verfilmung der Wildererlegende.

Regisseur Hans Horn bemüht sich mit Torsten Breuer (Kamera) und Albrecht Harms (Ton), Landschaft und Schauplätze, die im Thriller von Drehbuchautorin Annika Tepelmann eine Hauptrolle spielen, so unheimlich wie möglich wirken zu lassen: mit verschatteten Bildern, abrupten Schnitten, Blitz und Donner und gruseligem Soundtrack. Das Stadtkind beobachtet Kamrad beim Köpfen eines Huhns ("Gib a Rua, Mistviech!"), liegt hellwach in der Nacht, beunruhigt durch knarzendes Gebälk und ungewohnte Naturlaute.

Nach einer Hetzjagd durch den Moorwald treffen Josefine und Kamrad zum Showdown auf unsicherem Boden aufeinander - das zweite und allerletzte Mal.

"Die Tote im Moorwald" heute 20.15 Uhr, ZDF