Der Folk-Rocker Asaf Avidan tritt heute Abend im Docks mit Musik aus dem nahen, weit entfernten Osten auf

Docks. Wer als Teenager einen Plattenspieler hatte, der erinnert sich vielleicht noch an den Spaß, den es machte, Langspielplatten nicht mit 33, sondern 45 Umdrehungen pro Minute über den Teller zu jagen. So klang Janis Joplin auf "Cheap Thrills" wie eine Mischung aus singender Säge, entgleisender S-Bahn und Luftalarm-Sirene.

Die Stimme von Asaf Avidan, in Jerusalem geborener und in Tel Aviv lebender Folk-Rocker aus Israel, erreicht diese kosmischen Höhen auch bei normalen Umdrehungen. Ja, der 32 Jahre alte Sänger und Songschreiber hat definitiv eines der prägnantesten und ungewöhnlichsten Organe im Pop von heute. Er vereint die multiplen Orgasmen eines Robert Plant mit der sensiblen Wärme eines Ben Harper und mit dem brüchigen Charme eines Lou Reed oder Bob Dylan. Aber das war nicht der Grund, warum er diese vier Künstler bereits auf Tour begleitete.

Mögen sich an Avidans Stimme die Geister scheiden, an kompositorischem Talent mangelt es gewiss nicht. Fünf Alben hat er schon seit 2008 aufgenommen. "The Reckoning" (2008), "Poor Boy/Lucky Man" (2009) und "Through The Gale" (2010) veröffentlichte er mit seiner langjährigen Band The Mojos, dazu kamen als Solokünstler 2012 "Avidan In A Box" und "Different Pulses". Fünf Platten, randvoll mit Rock, Folk und Blues, der durch Vorbilder wie Pearl Jam, Led Zeppelin, The Doors und Muddy Waters inspiriert wurde.

In seiner Heimat landete Asaf Avidan mit "The Reckoning" direkt an der Spitze, was bei einigen Tausend verkauften Einheiten, die in Israel für eine Goldene reichen, nicht sehr beeindrucken mag. Erstaunlicher ist schon das Gesamtbild, wenn man Avidan zusammen mit der prosperierenden Popszene zwischen Tel Aviv und Haifa betrachtet. Aviv Geffen und Yoav sind zwei weitere Stars, die auch in Deutschland einen klangvollen Namen haben, und dahinter tummeln sich noch viele weitere Newcomer und Geheimtipps, wie das Reeperbahn-Festival auch dieses Jahr zeigte. Wie schon 2011 stellte sich mit Old Man River, Electric Zoo, Sun Tailor und fünf weiteren Bands die aktuelle Popgeneration Israels vor. Und die ist heiß wie die Negev.

Trotzdem brauchte Asaf Avidan etwas unverhoffte Schützenhilfe, um hierzulande weitere Kreise zu ziehen. So stieß der Berliner Electro-Produzent Jacob Dilßner alias DJ Wankelmut während eines USA-Aufenthalts auf das Avidan-Lied "Reckoning Song", bastelte den so fröhlich wie sommerlich groovenden Dance-Remix "One Day/Reckoning Song" und freute sich über sechsstellige Zugriffszahlen bei SoundCloud, YouTube und anderen Portalen.

Als Single veröffentlicht, wurde "One Day/Reckoning Song" im Juni zum Sommerhit und thronte in Deutschland, Österreich, Belgien, in der Schweiz und in den Niederlanden ganz oben. So wurde natürlich auch das vier Jahre alte Album "The Reckoning" (die Mojos sind längst aufgelöst) dieses Jahr in Deutschland wieder veröffentlicht, Wankelmut-Remix inklusive.

Eine Symbiose, die sowohl Asaf Avidan als auch DJ Wankelmut aus dem Underground ans Licht führte. Wobei darauf hingewiesen werden muss, dass "One Day/Reckoning Song" sicher nicht das ist, was Asaf Avidans Konzert am heutigen Montag im Hamburger Docks ausmachen wird. Wer nur vom Remix zum Kauf einer Karte angeregt wurde, wird sich wundern. Über Janis Joplin und Robert Plant auf 45 Umdrehungen pro Minute. Über eine androgyne Stimme nicht von dieser Welt. Über Rock, Folk und Blues aus dem nahen und doch so weit entfernten Osten. Über Asaf Avidan.

Asaf Avidan Mo 12.11., 20.00, Docks (U St. Pauli), Spielbudenplatz 19, Eintritt 32,- (Abendkasse); www.asafavidanmusic.com