Heute beginnt der Vorverkauf für die zum vierten Mal ausgerichteten Lessingtage. Schwerpunkt des Theater-Festivals ist Osteuropa.

Hamburg. Mit dem Lehm fängt alles an. 44 Tonnen davon benötigt Regisseur Stefan Bachmann für sein theatrales Großereignis "Genesis. Die Bibel, Teil 1". Ungekürzt. Wenn Regisseure wie Luk Perceval in zwölf Stunden Shakespeares Rosenkriege kondensieren, warum soll das nicht auch mit diesem Mammuttext möglich sein, dachte sich der designierte Intendant des Schauspiels Köln. Die Inszenierung dieses konfessionsübergreifenden Ursprungsmythos stellte Bachmann als bildgewaltiges Epos auf die Bühne und sicherte sich damit viel überregionale Aufmerksamkeit. Das zweitägige Gastspiel aus Zürich wird ein Höhepunkt der kommenden Lessingtage zum Jahresbeginn sein - und beschäftigt das Theater logistisch schon jetzt.

Künstlerisch ist die Planung abgeschlossen. Längst hat sich herumgesprochen, dass in Zeiten der Globalisierung viel vom Gelingen einer interkulturellen Gesellschaft abhängt. Ein facettenreicher Schwerpunkt, den sich Joachim Lux für sein aus dem Stand erfolgreiches Thalia-Festival "Um alles in der Welt - Lessingtage" auf die Fahnen geschrieben hat. Der kunstvolle in Gastspielen, Diskussionen und Stadtspaziergängen verwobene Blick auf das andere entpuppte sich über drei Jahrgänge als Geistesblitz.

Heute startet der Vorverkauf für die vierten Lessingtage, die vom 25. Januar bis zum 9. Februar im Thalia-Theater und an sechs weiteren Spielorten über die Bühne gehen. 16 Tage lang locken 64 Veranstaltungen. Diesmal blicken die Festivalmacher, neben Joachim Lux die Dramaturginnen Johanna Bauer und Sandra Küpper, nach Osteuropa. Erneut beschäftigt sich das Festival ganz im Geiste der aufklärerischen Gedanken Lessings mit den Fragen nach Demokratie, nach Auflösungserscheinungen im Posttotalitären, nach der Gültigkeit der hellenistisch-jüdisch-römischen Wurzel. Wie lässt sich das Eigene wahren und zugleich eine gemeinsame Idee zum Wohlergehen aller entwickeln?

Wie immer gruppiert sich das Programm um alte und neue Eigenkreationen. In diesem Jahr widmet der junge Regisseur Antú Romero Nunes Europas großem Frauenheld in "Don Giovanni. Die letzte Party nach Mozart und da Ponte" eine große Hauspremiere. Neun Gastspiele verleihen dem Festival internationalen Glanz und Diskussionsstoff. Die Hamburger sind aufgerufen, sich neugierig dem Unbekannten zuzuwenden, auch manch fremdländischer Sprache, von der man sich durch Übertitel nicht abschrecken lassen sollte. Aus dem nahen Berlin reist René Polleschs poetisch-melancholische Großstadtsaga "Kill your Darlings! Streets Of Berladelphia" an. Schauspieler Fabian Hinrichs lotet in dem mit einer Einladung zum Theatertreffen bedachten Abend Ungleichgewichte in privaten und politischen Netzwerken aus.

Ebenfalls ein alter Bekannter ist der lettische Regisseur Alvis Hermanis, der in seinem magischen Theatererlebnis "Schwarze Milch" die europäische Bürokratie in die Realität der lettischen Milchwirtschaft vordringen lässt. Ein Wiedersehen gibt es auch mit dem chinesischen Starregisseur Lin Zhaohua, der seine neue Arbeit "Der Attentäter" von Xu Ying vorstellen wird. Zhaohua ist bekannt dafür, dass er sich häufig kritisch an dem Regime rieb, das seine Inszenierungen finanziert, und in der Folge manches Verbot kassierte. Sein Landsmann, der jüngst mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels geehrte, 2010 nach Deutschland emigrierte Dichter Liao Yiwu, wird das Festival mit einer Rede eröffnen.

Erstmals dabei ist Regisseur Oliver Frijic mit seinem provokanten Abend "Verdammt sei der Verräter seiner Heimat!". Der Titel ist der ehemaligen jugoslawischen Hymne entlehnt. Die Uraufführung thematisiert auf schmerzliche, aber auch humorige Weise den Zerfall des Balkans.

Der Gottvater Zeus, der im Stierkostüm einst in einer Kuhherde am kleinasiatischen Mittelmeerufer graste und eine Prinzessin nach Kreta entführte, gibt dem Festival übrigens sein Symbol: einen massigen schwarzen Stier. "Europa begann in Asien", lautet dazu Lux' auf den ersten Blick irritierende These. Es geht nicht nur um das andere, es geht um uns alle.

Um alles in der Welt - Lessingtage 2012 25.1. bis 9.2.2013, Thalia-Theater und diverse Orte, Alstertor, Programm und Karten unter T. 32 81 44 44 und unter www.thalia-theater.de