Anlässlich der Verleihung des Edwin-Scharff-Preises zeigt die Kunsthalle in der Galerie der Gegenwart eine Werkschau der Hamburger Künstlerin

Hamburg. "Ich freue mich - kleistisch gesprochen -, 'auf den Knien meines Herzens', dass es uns mit der Auszeichnung an den Ort des Gegen gelungen ist, Annette Wehrmann posthum zu ehren, die von vielen Personen und Institutionen geschätzt, aber zu Lebzeiten dennoch nicht ausreichend rezipiert wurde", sagte Hamburgs Kultursenatorin Barbara Kisseler gestern Abend bei der Verleihung des Edwin-Scharff-Preises in der Kunsthalle.

Mit dem angesehenen Preis (dotiert mit 7500 Euro) wird die vor zwei Jahren gestorbene Hamburger Künstlerin Annette Wehrmann geehrt, er geht jedoch an die Mitglieder des Vereins Ort des Gegen, die langjährige Freunde und Mistreiterin der Künstlerin sind und deren Werk pflegen.

"Der Ort des Gegen bezeichnet eine Bruchstelle für zweckfreie Negation, insbesondere für ein zweckfreies Vergehen von Zeit, materialisiert in der Zunahme/Anhäufung von Abfall. Irgendwo zwischen zum Stillstand kommen und radikaler Freisetzung", schrieb Wehrmann selbst zur Intention ihres Projekts, das nun über ihren Tod hinweg wirksam bleibt. Kisseler würdigte die Mitglieder der Gruppe, die "einen unschätzbaren Beitrag dafür leisten, dass ihre Kunst und ihr Denken sowie das Denken an sie an künftige Generationen weitergetragen werden".

Anlässlich der Preisverleihung zeigt die Kunsthalle unter dem Titel "Gehirn und Geld" eine Ausstellung mit Arbeiten von Annette Wehrmann. Zu sehen ist auch eine Werkgruppe aus gemauerten überdimensionierten Fußbällen sowie Aktionsvideos und Zeichnungen.

Diese Werke, die mithilfe der Freunde der Kunsthalle erworben wurden, werden erstmals in einer Ausstellung präsentiert. Annette Wehrmann wurde 1961 in Hamburg geboren, in den 80er- und frühen 90er-Jahren studierte sie an der HfBK und an der Städelschule Frankfurt Freie Kunst. Ihr Diplom machte sie bei dem niederländischen Aktionskünstler Stanley Brouwn.

Auch sie selbst trat mit Aktionen im öffentlichen Raum hervor, zum Beispiel 1993 mit ihrem Projekt "Sprengungen". Dafür löste sie kleine Explosionen in öffentlichen Blumenkübeln und Rabatten aus und dokumentierte diese auch fotografisch. Mit ihrer Kunst erforschte sie Orte und Räume, um sie oft auf ganz eigene Weise zu transformieren. Auf poetische Weise gelang ihr das 2001 auf der Bundesgartenschau in Potsdam, wo sie einen ehemaligen sowjetischen Militärwachturm in einen Spiegelpavillon verwandelte.

Annette Wehrmann verfasste auch poetische Texte, die sie auf Luftschlangen schrieb und auf performanceartigen Lesungen vortrug. Sie hielt Kontakt zu anderen Künstlern, tauschte sich aus und teilte ihre Erfahrungen, arbeitete aber stets als Einzelgängerin. In ihren letzten Lebenstagen bereitete sie die Ausstellung "Hacking the City" vor, die im Essener Folkwang-Museum stattfinden sollte. Im Mai 2010 starb die Künstlerin im Alter von 48 Jahren in Hamburg.

"Annette Wehrmann. Gehirn und Geld" Hamburger Kunsthalle, Galerie der Gegenwart. Glockengießerwall, bis 3.3.2013, Di-So 10.00-18.00, Do bis 21.00