Der neue “Polizeiruf 110“ mit Matthias Brandt steht quer zu allen klassischen Sonntagskrimis. Von Meuffels ermittelt im Krankennachthemd.

In diesem Münchner "Polizeiruf" kommt weit und breit kein schwuler Fußballer vor, obwohl das der ursprüngliche Plan gewesen war. Macher und Autoren hatten überlegt, wie man der ohnehin sehr eigenen Figur des Exil-Bremer Hauptkommissars Hans von Meuffels weitere Facetten verleihen könnte. Sie wollten dafür sorgen, dass er sich noch mehr neben den berechenbaren Rest der Sonntagabend-Krimischicht begibt. Dann jedoch kam die Sprache auf Krankenhäuser und Ärzte und was da so alles mit Todesfolge schiefgehen kann, wenn niemand aufpasst und der Spardruck der Gesundheitsindustrie viele Skrupel verschwinden lässt. Am Ende dieses thematischen Richtungswechsels steht nun ein Krimi, völlig quer zu den Genre-Konventionen, der allerliebst surreale Momente hat, ohne die Spannung aus den Augen zu verlieren.

Gedreht und geschrieben hat ihn Hendrik Handloegten, der dem deutschen Kino in den letzten Jahren mit Filmen wie "liegen lernen" oder "Fenster zum Sommer" viel Spezielles und Beachtliches auf die Leinwand lieferte. Für die Oha-Momente auf dem Bildschirm sorgen nun unter anderem ein großflächig tätowierter Geist, der - warum auch immer - im Wiener Kleinkriminellen-Dialekt spricht (ein Bravour-Röllchen für Georg Friedrich), und ein Chirurg (Ex-Medizinstudent und Ex-Thalia-Star Peter Jordan), der bei Operationen hin und wieder Dinge in seinen Patienten vergisst. Mal schwebt Meuffels, vollgepumpt mit Schmerzmitteln, aus dem Krankenbett in Richtung Zimmerdecke. Mal steht er buchstäblich und staunend neben sich.

Allein für den Namen Detti Ellermann, den Josef Ostendorf mit viel Würde in der dankbaren Nebenrolle eines hämorrhoidengeplagten Schulfreunds des Kommissars erträgt, möchte man Handloegten gratulieren. Man kann sich aber auch den Gedanken nicht ganz verkneifen, dass beim Dreh am Medikamentenschrank genascht wurde, dort, wo die guten Psychopharmaka liegen. Es gibt da beispielsweise eine Szene, in der Meuffels auf Spuren- und Schuldigensuche in die Kühlkammer spaziert, um einer Leiche eigenhändig Beweismaterial abzuzapfen, oder einen stummen Zweikampf von Meuffels mit einem Röntgenbild-Leuchtbildschirm. Und die Kamera fliegt verträumt über verschneite Alpen, während Fred Astaire dazu den Ballsaal-Klassiker "Cheek to Cheek" säuselt. Der Dreh muss alles in allem ein Heidenspaß gewesen sein.

Hineingeraten in das ganze Schlamassel, das "Fieber" in leider nur 90 Minuten zeigt, ist Meuffels, weil seine rothaarige Junior-Kollegin (Anna Maria Sturm) es wieder mal übertreiben musste mit ihrem Anfängerinnen-Diensteifer. Meuffels kommt unters OP-Messer, in einem Spital, in dem die wenigsten Ärzte ausschließlich an das Wohl ihrer Patienten denken. Nach und nach kommt Meuffels, meistens im Krankennachthemd unterwegs und nur mit einem rollbaren Infusionsständer bewaffnet, hinter die Geheimnisse der Doktoren. Es geht um viel Geld und zu wenig Sorgfalt, um Patienten, die an Krankheiten sterben, an denen man normalerweise nicht stirbt.

Die schwulen Fußballer heben sich die "Polizeiruf"-Designer vom BR hoffentlich für eine der nächsten Sonntag-Begegnungen mit von Meuffels auf, der nun ja wieder dienstfähig ist und zurechnungsfähig wohl auch. Es wäre ziemlich schade um die schöne Idee, erst recht, da sie aus Bayern kommt.

"Polizeiruf 110: Fieber" So, 20.15 Uhr, ARD