Hamburg. Der Countdown läuft, die Uhr tickt, denn der Weltuntergang naht. Zumindest laut Maya-Kalender, der nicht weiter als bis zum 21.12.2012 reicht. Was kann man(n) da tun? Tanzen wie auf dem Vulkan etwa. Lutz von Rosenberg Lipinsky machte zu Gloria Estefans Pop-Salsa-Nummer „Party Time“ und gab am Ende seines neuen Programms den zu Recht gefeierten Vortänzer.
„Angst.Macht.Spaß“ hat der Hamburger Kabarettist mit ostwestfälischen Wurzeln seinen achten Solostreich doppeldeutig genannt. Die Premiere im nahezu ausverkauften Alma Hoppes Lustspielhaus zeigte eindrucksvoll, welch kreativ-analytisch Potenzial in dem erfahrenen Bühnen-Tiger steckt. Dieser Mittvierziger steht nicht über den Dingen, er ist voll auf der Höhe der Zeit.
In seinem mehr als zweistündigen Programm spannt von Rosenberg wortwitzig und mit enorm hohem Tempo den großen Bogen von Alltagsthemen über Politik, Kultur und Fußball bis hin zu Religion. Die Deutschen seien das Phobie-Volk schlechthin, meint er. Um das glaubhaft zu machen, drückt sich der studierte Theologe gern mal drastisch aus, wenn er etwa den Norovirus als „Schiss vor dem Schiss“ beiseitewischt oder wiedergibt, dass manche Menschen EHEC als Strafe Gottes für die Emanzipation angesehen haben. Schließlich seien die Opfer fast alle alleinerziehende Frauen gewesen, die sich bewusst gesund ernähren wollten. Den Chauvi und Zyniker gibt von Rosenberg auf der Bühne weiterhin gut und gern. Doch warum soll er sich nicht auf seine Art und Weise darüber lustig machen, wenn einige – dank Bofrost – auch im Oktober nicht auf vermeintlich frische Erdbeeren verzichten können? „Wenn der Eismann zweimal klingelt, vor Freude sich der Dickdarm kringelt“, macht sich von Rosenberg seinen Reim.
Das aktuelle oder bereits ausrangierte Berliner Polit-Personal watscht er mehr oder minder im Vorbeigehen ab, Ventilfunktion haben für ihn Weltuntergangs-Szenarien: Ausgehend von der Sintflut und einer flapsigen Erklärung („Für Jüngere: Das ist ein analoger Shitstorm“) trifft auf seiner immer absurder werdenden Fahrt die Arche Noah auf ein Greenpeace-Boot („Tiere in Käfig-Haltung sind verboten!“), bis er in der Gegenwart mit dem Untergang von Kreuzfahrtschiffen der Flotte „Costa“ und Co. neue Dimensionen erreicht.
Der Hamburger Spötter ist der wohl lustigste Seelsorger Deutschlands. Aber auch solch ein ausgewiesener Zyniker und Ossi-Skeptiker wie von Rosenberg muss sich Sorgen machen angesichts „solcher Katastrophen wie 11. September, 3. Oktober, Pershing II und Highlander III“. Apokalypse bedeutete ja auch Offenbarung, weiß von Rosenberg. Diese liefern die Geheimdienste auf unfreiwillige Art, wie er an Beispielen von Verfassungsschutz, MAD und BND („Der unwichtigste, er muss für Entwicklungsminister Dirk Niebel nur Teppiche transportieren“) süffisant aufdeckt.
Abwechslung in sein in Eigenregie entwickeltes Programm brachte von Rosenberg mit Dialekten und Liedern auf die energiegewendete Angela Merkel („Bitte, bitte lüg mich an!“). Das erinnerte an sein früheres Bandprojekt Die Musikalische Früherziehung im Verbund mit den Paderborner Party-Pomeranzen.
Seinen Zorn konnte und wollte von Rosenberg – das macht ihn glaubhafter denn je – indes nicht verhehlen: „Ein Land, das seine Unis kaputtgehen lässt, aber die Banken rettet, ist nicht mehr meins“, sagte er. Dennoch will er mit seiner provokant-humorvollen Art das Publikum weiter das Fürchten lehren – auch nach dem 21.12.2012. Die nächste Vorstellung von „Angst. Macht. Spaß“ im Lustspielhaus ist jedoch erst am 21. Mai 2013 geplant.
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