Von Barock bis heute: Der Hamburger Maler und Sammler August Ohm zeigt eine hochkarätige Ausstellung zur Kostümgeschichte.

Hamburg. In den großen Ferien ist er Ende der 1950er-Jahre nach London gereist, hat sich mit dem Skizzenblock in die Kostümabteilung des Victoria & Albert Museum gesetzt und stundenlang gezeichnet. "Die Figurinen waren meine geduldigsten Modelle, denn sie bewegten sich ja nicht", sagt August Ohm, der als 14-Jähriger tagelang in dem berühmten Londoner Museum seine Studien trieb. Die Textur der Stoffe und ihre Muster, der Faltenwurf, die kunstvollen Stickereien und die filigranen Spitzen wurden für den Hamburger Schüler nicht allein zur zeichnerischen Herausforderung, denn er sah die Kostüme auch als Kunstwerke. Und als Ausdruck ihrer jeweiligen kulturgeschichtlichen Epoche. August Ohm wollte wissen, warum sich die Menschen zu bestimmten Zeiten auf ganz bestimmte Weise gekleidet haben und was das mit ihrer Lebenswirklichkeit, mit ihrer Gesellschaft, mit Macht und mit Geist, mit Schönheit und mit Individualität zu tun hatte. Bald wurde James Laver, der Direktor der Kostümabteilung des Museums, auf den zeichnenden Hamburger Schüler aufmerksam. Er holte für ihn sogar die Kostüme aus den Vitrinen und machte ihm später eine bedeutende Schenkung, die den Grundstock für eine Kollektion bildete, die heute in Fachkreisen als die umfangreichste kostümgeschichtliche Sammlung auf dem europäischen Kontinent gilt.

Für unser Foto stellt sich August Ohm im Erdgeschoss seiner spätklassizistischen Villa in Fuhlsbüttel zwischen die mit kostbaren Rokoko-Kostümen bekleideten Figurinen, die ihn wie eine Hofgesellschaft des 18. Jahrhunderts umgeben. Ohm ist ein erfolgreicher Maler mit Ateliers in Hamburg, Berlin und in Florenz, aber eben auch ein bedeutender Sammler; seine Stiftung umfasst neben dem Nachlass seines Vaters, des Malers Wilhelm Ohm, sowie dem Kernbestand eigener Arbeiten und einem umfangreichen Konvolut von Zeichnungen von der Renaissance bis zur Gegenwart auch seine hochkarätige kostümgeschichtliche Sammlung. Von dieser Woche an zeigt Ohm unter dem Motto "Das Kleid als Kunstwerk" eine Ausstellung mit Meisterwerken vom Barock bis heute. Zu sehen sind insgesamt 95 Objekte, neben wertvollen Kleidern auch Bilder und Accessoires wie Fächer oder Schnupftabakdosen.

Seit 1974, als Ohm die Villa an der Röntgenstraße gemeinsam mit seiner Mutter kaufte und bezog, veranstaltet er hier einmal jährlich Ausstellungen. Jeweils im Herbst locken diese ein kleines, aber sehr interessiertes Publikum an, das auch die private, von erlesener Kunst und seltenen Antiquitäten geprägte private Atmosphäre des Hauses zu schätzen weiß. Im ersten Stock zeigt Ohm ein eigenes Bild, auf dem er seine Mutter 1986 in einem Plissée-Kleid des spanischen Künstlers und Modedesigners Mariano Fortuny gemalt hat. "Dieses Kleid befindet sich seit 1986 im Museum für Kunst und Gewerbe", erzählt der Maler, der damals ein Drittel seiner Modesammlung über die Stiftung für die Hamburger Kunstsammlungen an das Museum am Steintorwall verkauft hat.

Der bei ihm verbliebene Rest ist immer noch eindrucksvoll, denn bei seinen Ankäufen bewies Ohm ein sicheres Gespür für Qualität - und oft hatte er auch Glück. Zum Beispiel, als er die Witwe des weltberühmten französischen Modeschöpfers Paul Poiret kennenlernte, die ihm einige besonders wertvolle Stücke überließ.

Zu jedem ausgestellten Kleid kann Ohm eine Geschichte oder Anekdote erzählen. Wer ihm zuhört, sieht die Kostüme mit anderen Augen - und versteht, dass sie nicht nur Kleidungsstücke sind, sondern zugleich beeindruckende Kunstwerke.

Das Kleid als Kunstwerk. Meisterwerke in Beispielen vom Barock bis heute. Atelier und Stiftung August Ohm. Röntgenstraße 57. Bis 26.12., Mi 16.30-18.30, Sonn- und Feiertags 11.00-13.00, Katalog 30 Euro