Das Drama “Der Verdingbub“ greift ein Tabuthema auf

Max (Max Hubacher) ahnt nicht, was ihm blüht, als ihn der Pfarrer an das Ehepaar Bösiger "verdingt". So nannte man es bis in die 50er-Jahre, wenn Waisenkinder oder Jugendliche aus zerrütteten Familienverhältnissen von Behörden aus ihrem Umfeld gerissen und gegen Kostgeld an andere Familien vermittelt wurden. Max muss auf dem Bergbauernhof hart arbeiten, wird vom Bösiger (Stefan Kurt) und seiner Frau (Katja Riemann) erniedrigt und geschlagen. Trost findet er nur in der Musik. Er spielt Handorgel. Die Lehrerin (Miriam Stein) bemerkt den Missbrauch und versucht sich für ihn einzusetzen. Ihr Engagement kostet sie ihre Stelle, denn die Behörden wollen nicht hinsehen. Die Bösigers bekommen ein zweites Verdingkind, die 15 Jahre alte Berteli (Lisa Brand). Zusammen mit Max träumt sie von einer Zukunft in Argentinien. Aber Jacob (Maximilian Simonischek), der Sohn der Bauern, betrachtet Berteli als sein persönliches Eigentum und vergewaltigt sie.

Es ist ein ebenso kraftvolles wie tristes, aber auch poetisches Drama, das Markus Imboden in "Der Verdingbub" erzählt. Der Schweizer Regisseur, der mit seinem völlig anders getakteten Krimi "Mörderische Jagd" gerade den Produzentenpreis beim Filmfest Hamburg gewonnen hat, rührt hier an ein Tabu. Der Film, produziert vom Schweizer Peter Reichenbach und der Hamburgerin Claudia Schröder, hat zu einer öffentlichen Diskussion über das lange verschwiegene Thema geführt und wurde in der Schweiz von 250 000 Zuschauern gesehen. Imboden zeichnet in der moralisch eindeutigen Situation vielschichtige Charaktere. Die Eheleute, wunderbar gespielt von Katja Riemann und Stefan Kurt, sind nicht nur Peiniger eines Unschuldigen. Sie sind durch den harten Alltag in der schönen, aber unbarmherzig erscheinenden Natur selbst zu desillusionierten und verrohten Opfern geworden.

Bewertung: empfehlenswert

"Der Verdingbub" Schweiz/Deutschland 2011, 110 Min, ab 12 J., R: Markus Imboden, D: Max Hubacher, Katja Riemann, Stefan Kurt, Miriam Stein, täglich im Studio-Kino; www.verdingbub.ch