Michael Maertens glänzt als Schurke in Richard III. beim Hamburger Theaterfestival

Hamburg. Das Böse ist kein Monster und auch nicht furchterregend. Michael Maertens, der den größten Schurken der Weltliteratur, Richard III., spielt, ist in Barbara Freys Inszenierung des Shakespeare-Dramas, die aus Zürich beim Hamburger Theaterfestival im Thalia gastierte, ein beinah unscheinbarer, auf den zweiten Blick sehr hässlicher Titelheld. Ein Zu-kurz-Gekommener, der sich an der Welt rächen will. Fettige Haarsträhnen umkränzen sein teigig-grünes Gesicht, der rechte Arm baumelt meist herab, die linke Hand kratzt daran, es muss Schorf sein. Das Jackett kneift. Dieser Richard sieht aus wie ein kleiner Angestellter, der noch bei Mama wohnt und abends Pornos guckt - verklemmt, versaut, verkommen.

Doch weil er der Held eines Königsdramas ist, mit unstillbarem Appetit und ständig steigender, bizarrer Lust am eigenen teuflischen Wesen, kann er unaufhaltsam über Leichen gehen. Umgeben von Speichelleckern, stellt sich niemand seiner Mordlust und Niedertracht in den Weg. Maertens ist nie der unheimliche Charmeur, den dieser Mann, der Brüder und Rivalen, Neffen, Ehefrauen und alles morden lässt, was ihm lästig erscheint, auch sein kann. Maertens ist der leise schleichende Schreibtischtäter, der im Stillen Unheimliches ausbrütet, um dann zu schauen, wie sehr er Menschen manipulieren kann, damit sie seine Gräuel exekutieren. Und der immer erstaunter feststellt, dass alles geht. Jede Grausamkeit, jedes Schrecknis. Richard hat keine Gegenspieler, Maertens, der an diesem Abend brilliert, hat sie auch nicht.

Mit dem Tod Richard III., 1485, endete das britische Mittelalter, die Renaissance begann. Aber zuvor musste Richard III. noch einmal alles verkörpern, was skrupellos, grausam, rücksichtslos, kaltblütig und machtbesessen war. Im shakespeareschen Schurkentheater ist Richard III. das Böse schlechthin. Er lügt, betrügt, täuscht, verführt, ist ein blutrünstiger Egomane, der für seinen Traum, König zu werden, mutwillig alles zerstört und vernichtet. Doch auch als König geht das Morden munter weiter. Als er Lady Anne verführt, deren Mann und Schwiegervater er hat ermorden lassen, winselt und schleimt Maertens wie ein Reptil. Nicht sexy ist das, sondern krank. Leider existieren solche Herrscher bis heute. Das macht die karg ausgestattete Inszenierung zeitlos.

Insgesamt ein großartiger Abend mit einem herausragenden Titelhelden. Von dieser Art Theater kann man eigentlich nie genug bekommen.