Die 200 Musiker des Youth Orchestra of Venezuela glühten in der Laeiszhalle vor Begeisterung

Hamburg. Von solcher Power können manche Kulturorchester hierzulande nur träumen. Mit vier Dutzend Geigen, 18 Celli, doppelt besetzten Holzbläsern, mit insgesamt 200 Musikern war das Teresa Carreno Youth Orchestra of Venezuela nach Hamburg gekommen und fand bei seinem Pro-Arte-Auftritt kaum noch Platz auf dem Laeiszhallen-Podium.

Das Ensemble gehört zu jenen Jugendorchestern des südamerikanischen Kontinents, die aus der einzigartigen Idee des "El Sistema" erwachsen sind und hochbegabte Kinder und Jugendliche vor allem aus sozial schwachen Regionen fördern. Alle Orchestermitglieder aus Venezuela glühten förmlich vor Begeisterung bei diesem Gastspiel, hatten im ersten Teil des Abends aber noch nicht das richtige Gefühl für den passenden Lautstärkepegel in diesem Saal entwickelt. Die sinfonische Dichtung "Don Juan" von Richard Strauss donnerte geradezu los, und selbst die zarteren Teile wie das Geigensolo zu Beginn oder das pastellfarbene, sphärenhafte Harfen-Tremolo am Ende des Stücks wurden vom Dauerdruck der Leidenschaftlichkeit überdeckt.

Dirigent Christian Vásquez, 29, hatte auch bei den "Symphonischen Tänzen aus West Side Story" von Leonard Bernstein Probleme, dynamische Steigerungen zu entwickeln, denn ein echtes Pianissimo als Ausgangspunkt bot ihm das Orchester ja kaum an. Schön gelangen die versetzten Schläge im Prolog von Bernsteins Musicalklassiker, in dem der Romeo-und-Julia-Stoff auf einen Konflikt zwischen Einwanderern und Amerikanern übertragen wird. Nicht nur die Fähigkeit zum Grooven und Swingen zeichnete die jungen Venezuelaner aus, exzellente Soli etwa einer jungen Pianistin im Dialog mit dem Xylofon waren hinreißend.

Ausgewogener und transparenter in der Dynamik klang dann die 5. Sinfonie d-Moll op. 47 von Dmitri Schostakowitsch. Es ist ein Werk, in dem der von Stalin in den 30er-Jahren so niedergedrückte Russe Gustav Mahlers sinfonischem Kosmos sicher am nächsten rückt. Der allgegenwärtigen Tendenz zur Tristesse setzte das Youth Orchestra Venezuela emphatische Streicherkantilenen entgegen. Dass nach dem Schlussapplaus plötzlich das Licht erlosch und sich alle Musiker einen Sweater in den Farben ihrer Nationalflagge überstreiften, war eine charmante, aber etwas außergewöhnliche Geste.