Die Autoren Nils Mohl und Finn-Ole Heinrich sind mit den begehrtesten Preisen der Kinder- und Jugendliteratur ausgezeichnet worden.

Hamburg. Es war eine Hamburger Veranstaltung in Frankfurt am Main vor einer Woche, als auf der Buchmesse Nils Mohl und Finn-Ole Heinrich die zwei wichtigsten Jugendliteraturpreise erhielten: Man darf nun, bis zur nächsten Preisverleihung, behaupten, dass nirgendwo so wunderbare Geschichtenerzähler für junge Ohren leben wie an Elbe und Alster.

Der Jenfelder Nils Mohl, Jahrgang 1971, hat in den Augen der Jury den besten Jugendroman geschrieben, der Wilhelmsburger Finn-Ole Heinrich, Jahrgang 1982, das beste Kinderbuch. Sie eint die Herkunft aus der ernsthaften und schönen Literatur; wie ja viele Verfasser von Kinder- und Jugendbüchern zunächst oder hauptsächlich für Erwachsene schreiben. Aber was soll eigentlich diese Unterscheidung? "Mein Buch ist für alle", sagt Nils Mohl, der mit dieser Aussage natürlich vollkommen recht hat. "Es war einmal in Indianerland", so heißt das mehrfach prämierte Werk, das die Sprache der Fantasie ganz unverfälscht und natürlich auch irgendwie auf hinreißende Weise sentimental spricht, und ist ein großes Lesevergnügen für Ältere und Jüngere. Es geht um einen 17-Jährigen in einer Vorstadtsiedlung, der sich dem mühevollen Prozess des Erwachsenwerdens unterzieht - erste Liebe inbegriffen, sie kann den Namen Jackie tragen oder Edda.

Am Anfang, erzählt der dreifache Familienvater Mohl, habe er sich gegen das Genre Jugendliteratur gewehrt. Als Rowohlt auf ihn zukam, weil dem Verlag eine kleine Erzählung um einen 17-Jährigen gefiel. "Wir leben in einer Zeit", sagt Mohl, "in der das Erwachsenwerden immer weiter hinausgezögert wird - und deshalb behandeln Entwicklungsromane doch immer eine brandaktuelle Frage". Das ist der Grund, warum man es im Falle von Nils Mohl nun mit einem glücklichen, zufriedenen und erfolgreichen Autor zu tun hat.

Früher, sagt er, "habe ich lediglich in der Bedeutungslosigkeit vor mich hingeschrieben".

Was richtig ist. So in etwa. Förderpreise und Kritikerlob (zum Beispiel für den Roman "Kasse 53") bekam der ambitionierte Erzähler Mohl ja reichlich, und auch Finn-Ole Heinrich kann sich nicht beklagen, was das angeht. Der gebürtige Cuxhavener wurde früher für sein filmisches Schreiben, für seine Außenseitergeschichten und seinen schmerzlichen Realismus gepriesen. Heute ist sein Coming-of-Age-Roman "Räuberhände" Abiturthema.

Und sein Titelheld "Frerk" aus dem gleichnamigen Kinderbuch der absolute Hit in Kinderzimmern. Der ernsthafte Erzähler Heinrich ist eine Entdeckung des Altonaer Mairisch-Verlags, der anarchische und sensible Erfinder Frerks eine von immer wieder neuen ganz jungen Lesern. Das Buch geht gerade und nicht erst seit der Auszeichnung durch die Decke. Frerk ist ein Siebenjähriger mit stellenweise grauenvollen Eltern und fiesen Mitschülern. Doch dann stehen dem gequälten Jungen plötzlich ein paar noch kleinere, nämlich tatsächliche Zwerge zur Seite, und eine große Trostreichung ist ja auch die Sprache. "Brät! Brät" ist der Schlachtruf der Zwerge. Die Zeichnungen der isländischen Illustratorin Ran Flygenring sind fein und aufregend für Kinderaugen. Heinrich sagt: "Die Idee für 'Frerk' kam mir in Beirut, wo ich einen Freund besuchte. Ich trug sie länger in meinem Kopf herum, aber ich schrieb sie erst auf, als mich meine Mutter daran erinnerte."

Er musste also zu seinem Glück gezwungen werden - wie Nils Mohl. Und es ist gar keine Frage, dass der Erfolg als Kinder- und Jugendbuchautor ein reines Glück ist. Einer, der schreibt, will gelesen werden, und Heinrich, der vorher nur Eingeweihten oder Literatur-Connaisseuren bekannt war, wird gerade gelesen wie bekloppt. Am 25. Oktober liest er vor 1000 Hamburger Abiturienten im Thalia-Theater aus seinen Erzählungsbänden und aus "Räuberhände". Und wenn er Ende des Monats auf dem Lesefest "Seiteneinsteiger" auftritt, dann ist das nur eine unter vielen Veranstaltungen.

"Ich kann gar nicht alle Einladungen annehmen", berichtet Heinrich, der bundesweit Schulen besucht. Dass Lehrer die Autorenlesung in ihren Unterricht einbauen, ist nicht unwichtig für seinen Erfolg. Er schätze, dass es am Mut einiger Lehrer gelegen habe, dass ein Buch wie "Räuberhände" nun Schullektüre sei, sagt Heinrich. "Wer weiß, wie viel Proteste es gab, weil plötzlich nicht mehr Goethe oder Schiller auf dem Lehrplan stehen."

Der Anteil von Kinder- und Jugendliteratur am Umsatz der deutschsprachigen Verlage beträgt 15 Prozent. Kein Wunder, dass die Branche die Gattung pflegt. Unter anderem mit Institutionen wie dem Jugendliteraturpreis. Für Autoren wie Mohl, der die Auszeichnung überglücklich entgegennahm, und Heinrich ist die neue Popularität ein Segen. Mohl arbeitet derzeit an zwei Fortsetzungen zu "Es war einmal Indianerland". Der zweite Teil der Trilogie, die keine bloße Fortschreibung sein soll, sondern neue Helden einführt, wird "Stadtrandritter" heißen. Es geht Mohl um die Mythen der Jugend, um Indianer und Ritter eben, um Astronauten, und es geht ihm darum, bittersüße Erinnerungen zu Papier zu bringen. "Jeder wäre gerne noch einmal 17", sagt Nils Mohl.

Wenn man jung ist, weiß man nicht, dass man jung ist. Und man weiß auch nicht, dass man das Jungsein einmal vermissen wird.

Mohl hat sich nur kurz geärgert, dass er bei der Preisverleihung gleich auf Wolfgang Herrndorf angesprochen wurde ("Ach, noch so ein 'Tschick'-Buch"), und natürlich ist es so, dass es seit Tom Sawyer immer wieder Bücher mit jugendlichen Helden gegeben hat, die auch Erwachsenen gefallen. Überzeugt werden vom lohnenden Ausflug in die Genreliteratur muss Mohl nun nicht mehr, und wenn er, der im Brotjob für eine Werbeagentur arbeitet, derzeit zwischen fünf und sieben in der Frühe sein literarisches Werk fortschreibt, wird er gerne wieder zum Teenager.

Finn-Ole Heinrich, der junge Mann mit den fünf jüngeren Geschwistern, arbeitet derzeit an einem neuen Kinderbuch. Und ein Buch für Erwachsene ist auch in der Planung. Die Veranstaltungen mit den Kindern seien ein tolles Korrektiv für die Hochliteraturabende (Heinrich: "Die neigen ja dazu, viel zu sehr zu intellektualisieren") und einfach etwas ganz anderes. "Im Literaturhaus steht kein Siebenjähriger zitternd auf. Und es schreit auch keiner einfach mal los oder ruft etwas herein."

Weil junge Leser leichter zu beeindrucken sind, wenn man ihnen nichts vormacht und sie ernst nimmt. So wie Nils Mohl und Finn-Ole Heinrich.

Finn-Ole Heinrich: "Frerk, du Zwerg!". Bloomsbury. 96 S., 16

Nils Mohl: "Es war einmal Indianerland". Rowohlt. 346 S., 12,99