Thomas Hengelbrock, das NDR Sinfonieorchester und die Geigerin Lisa Batiashvili feiern ein Fest der Rhetorik

Hamburg. Nicht nur Lieder und Arien, auch reine Instrumentalmusik transportiert außermusikalische Botschaften. Das ist Gemeingut, mögen die Gelehrten auch gern über Ausnahmen streiten. Doch wenigen Konzerten könnte man diesen Satz so zwanglos als Motto voranstellen wie dem, das Thomas Hengelbrock und das NDR Sinfonieorchester gerade in der Laeiszhalle gegeben haben und ebendort an diesem Sonntag wiederholen.

Nur allzu leicht klingt Carl Philipp Emanuel Bachs Musik nach Schulorchester, wenn sie schlecht gespielt wird. Doch seine Streichersinfonie C-Dur war ein geradezu opernhaft dramatischer Anfang - weil Hengelbrock und die kleine Besetzung die Abgründe kompromisslos ausleuchteten. Schwindelerregend schnell und präzise fegten sie durch die zornigen Sechzehntelketten, um im nächsten Moment abrupt innezuhalten und die Farbe zu wechseln. In der Einheitlichkeit von Klanggebung und Artikulation dieser angeblich Alten Musik hat das Ensemble sich erfreulich gesteigert, seit Hengelbrock vor einem Jahr das Ruder übernahm.

Eine ganz andere, verzweifelt sarkastische Rhetorik pflegten die Musiker in Schostakowitschs Neunter Sinfonie. Wie mit dem Meißel arbeiteten sie die Figuren heraus, persiflierten den zur Entstehungszeit des Werks vorgegebenen Militärton und vollführten wahre Koboldstänze. Umso direkter gingen die Klagen ans Herz, wunderbar geblasen von Fagott und Flöte, um nur einige der hervorragenden Orchestersolisten zu nennen.

Herzstück des Abends aber war das Violinkonzert von Beethoven mit der Solistin Lisa Batiashvili. Die Mühelosigkeit, mit der die unprätentiöse Georgierin selbst über die offensten Schwierigkeiten erhaben ist, ihren schmelzenden Ton: geschenkt, das kennt man schon von ihr. Doch gelang es den Beteiligten, zwei Musizierstile zusammenzubringen, ohne dass es wie Flickwerk gewirkt hätte: auf der einen Seite Batiashvilis noble, im Ausdruck diskrete, eher konventionelle Spielweise, schluchzende Lagenwechsel inklusive, und auf der anderen Hengelbrocks beredt aufgerauten Zugriff. Es gelang, weil sie seismografisch aufeinander hörten und reagierten. Wie sie alle miteinander die ausgedehnten Pianopassagen auf Spannung brachten und hielten, bis dem Hörer die Tränen kamen, das war, ja doch, unvergesslich.

NDR Sinfonieorchester, Lisa Batiashvili, Thomas Hengelbrock So 11.00, Laeiszhalle (U Gänsemarkt), Johannes-Brahms-Platz. Karten zu 11,- bis 41,80 unter T. 0180/178 79 80