Alice Buddeberg inszeniert “Ödipus“ des Sophokles auf dem Spielfeld des Schauspielhauses

Ausgerechnet der antike "Ödipus" des Sophokles ist auf dem Weg, das meistgespielte Stück der Saison zu werden. In Frankfurt am Main läuft weiterhin die "Ödipus/Antigone"-Version von Michael Thalheimer, in Berlin hat jüngst Stephan Kimmig eine geraffte Version aufgeführt.

Auch für Alice Buddeberg ist es das Stück der Stunde in diesen unübersichtlichen Zeiten. "Diese Erkenntniswut, verbunden damit, schuldig zu werden, ohne es zu wissen. Diese Unmöglichkeit eines richtigen Lebens im Falschen, das lässt sich auf unseren Umgang mit Krisen und Ökologie übertragen. Wir kaufen Biobananen und erfahren, sie stammen aus Neuseeland." Für die Premiere am 19. Oktober inszeniert die junge Regisseurin das Stück auf dem Spielfeld des Schauspielhauses in der Fassung von Walter Jens.

Dieses folgt einerseits der krimigleichen, klassischen "König Ödipus"-Mythologie. Unwissentlich erschlägt Ödipus seinen leiblichen Vater Laios, König von Theben, befreit die Stadt von der Sphinx, erlangt aus der Hand König Kreons die Königswürde und nimmt die Witwe Iokaste, in Wirklichkeit seine Mutter, zur Frau. Die unheilvolle Prophezeiung wird sich erfüllen.

In "Ödipus auf Kolonos" kommt der König nach zehn Jahren Irrfahrt an jenen Ort, an dem ihm der Tod vorherbestimmt ist. König Theseus deckt ihn, als Kreon ihn um des eigenen Machterhaltes willen nach Theben zurückbewegen will. "Die Übersetzung ist in ihrer Sprachgewalt toll", sagt Alice Buddeberg. "Sie reißt die Zustände auf, ist aber nicht so verquast wie bei Hölderlin, wo man sich nur mit der Sprache befassen muss."

Die Fassung sei sprunghafter, fragmentarischer, löse die Logik der Ereignisse stärker aus, indem sie Erinnerungen des gealterten Ödipus einbinde. Buddeberg interessiert sich besonders für den Aspekt der Schuld in dem Drama. Beobachtet eine Tendenz des Menschen, auf Vorgeschichten zurückzugreifen, etwa bei der Krise des Kapitalismus. "Wir versuchen innerhalb des Systems an der Euro-Krise herumzudoktern, dabei könnte man viel freier denken, wenn man zurückfragte, wie Geld einmal entstanden ist."

Buddeberg sagt von sich selbst, dass sie stark durch das eher formale "Osttheater" geprägt sei, hier dränge sich ein formalerer Zugang schon allein durch den Stoff auf. "Die Figuren sind so gigantisch, dass man sie nie erwischt, nie auf ihrer Höhe ist." Auf einer Art Metaraster aus Metallstreben will sie mit ihrem Hauptdarsteller Markus John die Frage aufwerfen, ob die Geschehnisse wirklich zwangsläufig sind. Und wenn ja, muss der Mensch sich nicht wehren, um ein agierender Mensch zu sein?

Buddeberg liegen die großen klassischen Stoffe eher als das Zeitgenössische. "Ich finde es toll, dass mir der Stoff immer erst mal fremd ist, dass ich am Anfang eine Reibung zwischen der Jetztzeit und dem Stoff habe."

Ödipus Premiere Sa 19.10., 20.00, Schauspielhaus (U/S Hbf.), Kirchenallee 39, Karten zu 15,- bis 65,- unter T. 24 87 13; www.schauspielhaus.de