Heinz Buschkowskys Buch “Neukölln ist überall“ ist eine ungeschönte Bestandsaufnahme, sagt Kabarettist und Autor Kerim Pamuk.

Laut Eigenwerbung ist Heinz Buschkowsky Deutschlands bekanntester Bürgermeister. Und er hat jetzt auch ein Buch geschrieben. Über das Reich, das er regiert, den inzwischen bundesweit berühmt-berüchtigten "Problembezirk" Berlin-Neukölln. Es ist eine Bestandsaufnahme und ein Aufschrei, den vor allem der Rest der Republik vernehmen soll, denn "Neukölln ist überall", behauptet Buschkowsky.

Neukölln hat einen Migrantenanteil von 41 Prozent und eine Arbeitslosenquote von 22 Prozent, und im Zusammenleben zwischen Deutschen und Menschen "nicht-deutscher Herkunftssprache" scheint so gut wie alles schiefzulaufen.

Arabische und türkische Jugendliche, die marodierend durchs Viertel ziehen und ihre Aggression, ihren Frust vornehmlich an Deutschen auslassen und weder Lehrer noch die Polizei ernst nehmen. Afrikanische "Drogerie-Einzelhändler", die jeden Spaziergang durch die Hasenheide zur Tortur machen. Ganze Straßen wie die Sonnenallee, in denen man nur noch arabische Schilder und arabische Läden findet, vor denen Wasserpfeife rauchende Männerhorden sitzen und jede vorbeilaufende Frau belästigen.

Arabische und türkische Eltern, die zwar kaum ein Wort Deutsch sprechen, aber Experten sind, wenn es darum geht, Transferleistungen zu beantragen oder mit einem ärztlichen Gutachten ihre Töchter vom Schwimmunterricht befreien zu lassen. Frustrierte einheimische "Bio-Deutsche", die ihren Kiez nicht mehr wiedererkennen, alltägliche Belästigungen durch Anmache, Pöbelei und Lärm nicht mehr ertragen und wegziehen - genauso wie Einwanderer, die seit Jahrzehnten im Land leben, sich ein neues Leben aufgebaut haben, aber nicht mehr einsehen, warum sich die Töchter auf der Straße vor selbst ernannten islamischen Sittenwächtern rechtfertigen müssen, weil sie keine Kopftücher tragen. Ängstliche Polizisten, die bei Konflikten beide Augen zudrücken oder gar nicht erst eingreifen, weil sie nicht selbst Opfer tätlicher Gewalt werden wollen. Ein Viertel, in dem Gesetze keinen Pfifferling mehr wert sind und immer mehr das Recht des Stärkeren den Alltag bestimmt. Nirgendwo sonst scheint die Integration gründlicher gescheitert zu sein als in Neukölln.

Buschkowskys Bestandsaufnahme der Zustände ist im wahrsten Sinne des Wortes krass und ungeschönt und genau darum lesenswert, weil er im Gegensatz zu anderen Berufenen weiß, wovon er redet. Weil er nicht im herabsetzenden Ton über andere Kulturkreise und deren Verhaltensweisen schwadroniert, sondern immer konkret aufzeigt, woraus sich die Probleme zusammensetzen. Weil er die jahrzehntelange Ignoranz der Politik und das Versagen des deutschen Staates genauso ins Visier nimmt. Er zeigt auf, welche fatalen gesellschaftlichen Folgen es haben kann, wenn deutsche Ignoranz und Kulturrelativismus auf Abschottung und Integrationsunwilligkeit mancher Einwandererschichten trifft. Wie ein ganzes Viertel sozial kippen kann, wenn der Strukturwandel Arbeitsplätze vernichtet, das Bürgertum wegen mangelnder Perspektive wegzieht und der neue Raum von Einwanderern ohne jegliche Qualifikation und Perspektive eingenommen wird.

Neukölln ist nicht überall, andere Städte und Bundesländer sind wesentlich weiter in der Integration und haben auch nicht mit ähnlich heftigen sozialen Verwerfungen zu kämpfen. Aber in "Neukölln ist überall" hat man noch einmal die Essenz dessen, was in diesem Land seit Jahrzehnten in Sachen Integration falsch gelaufen ist.