Hamburg. Die Parolen auf der beschmierten Wand sind eindeutig: "Deutschland den Deutschen" steht da, "Arbeit macht frei", "Es gab keinen Holocaust" und in großen Lettern "NSH" - eine Anspielung auf die rechtsradikale Zelle NSU. Regisseur Wolf-Dietrich Sprenger setzt Eugène Ionescos Stück "Die Nashörner" - ein Klassiker des absurden Theaters - am Ernst-Deutsch-Theater in einen Zusammenhang mit Rechtsradikalismus und Ausländerfeindlichkeit in Deutschland. Im dritten Akt gelingt ihm eine plakative, aber wirkungsvolle Szene, als er einen schwarz uniformierten Chor mit weißen Masken aufmarschieren lässt, während die Normalbürger Behringer, Daisy (Alicia Aumüller) und Stech (Daniel Flieger) sich zum Picknick treffen. Spricht einer der Akteure ein Fremdwort aus, ruft der Chor das deutsche Synonym - Fernsprecher statt Telefon und Fleischscheibe statt Steak - und brüllt noch ein bedrohliches "Deutsch!" hinterher.

Als Behringer und sein Freund Hans (Armin Dillenberger) zu Beginn dieser Parabel das erste Nashorn über den Marktplatz ihres Städtchens trampeln sehen, trauen sie ihren Augen kaum, doch die Nashörner werden immer mehr. "Das Leben ist absurd", sagt Behringer, absurd ist bei Ionesco die Verwandlung der Menschen in diese mächtigen Tiere. "Nashörner sind gefährlich", heißt es anfangs. Sprenger verdeutlicht in seiner Inszenierung, dass die dumpfe gleichgeschaltete Masse ebenso bedrohlich ist.

Die Figuren des Dramas sind Opportunisten und Duckmäuser, die nach und nach zu Nashörnern mutieren, Daisy verwandelt sich von einer Dunkelhaarigen in eine Blondine. Nur Behringer (zu sehr chargierend: Konstantin Graudus) lässt sich von diesem Virus der Anpassung nicht infizieren. Doch ein Einzelner kann gegen die Konformisten nichts ausrichten. Das ist die ungemütliche Botschaft der mit Beifall aufgenommenen Inszenierung.

Eugène Ionesco: "Die Nashörner" Weitere Vorstellungen vom 13.10.-10.11., jew. 19.30 Uhr