Luk Perceval adaptiert Falladas Erfolgsroman “Jeder stirbt für sich allein“ im Thalia

Als Regisseur Luk Perceval 2009 Hans Falladas Erfolgsroman "Kleiner Mann, was nun?" zur Weltwirtschaftskrise 1929 in den Münchner Kammerspielen inszenieren wollte, traf er auf das Unverständnis des Intendanten. Das sei doch so ein leichter, naiver Stoff. Dann brach die Finanzkrise aus und das Stück war auf einmal der Stoff der Stunde. Perceval erhielt für seine zurückhaltende Inszenierung, die auch in Hamburg gastierte, eine Einladung zum Theatertreffen.

Nun findet er erneut eine Aktualität in Falladas spätem Überraschungshit "Jeder stirbt für sich allein", den er für die Premiere am 13. Oktober im Thalia-Theater einrichtet. "Europa ist derzeit bedroht von finanziellen Problemen. Nationalismus ist in vielen Ländern der Ton, der wieder gesungen wird." Falladas Roman zeige unideologisch und unpädagogisch die damalige Zeit. "Er beschreibt als Zeitzeuge, wie alle Menschen bis hinunter zum Straßendieb, aus purem Egoismus Deutschland in den Abgrund getrieben haben." Schon Pier Paolo Pasolini habe den Kapitalismus als Neofaschismus bezeichnet. "Die Metapher des egomanen Überlebenstriebes des Menschen in der Nazizeit ist universell."

Das finstere Machwerk über den authentischen Fall des Ehepaares Otto und Elise Hampel (im Roman Otto und Anna Quangel), das nach dem Kriegstod des Sohnes zwischen 1940 bis 1942 Postkarten-Flugblätter in Berlin verteilte, war von 2002 an vor allem im anglo-amerikanischen Raum ein Bestseller. Erst 2011, als die ungekürzte Originalfassung bei uns erschien, verkaufte sie sich auch hierzulande stolze 160 000-mal. Bemerkenswert ist das vor allem deshalb, weil Fallada als erster Schriftsteller nicht aus dem Exil heraus ein Buch über den Widerstand gegen die Nationalsozialisten verfasst hatte.

Für Luk Perceval, der gemeinsam mit Christina Bellingen auch die Bühnenfassung geschrieben hat, ist das Buch wie eine klassische griechische Tragödie aufgebaut. ""Fallada bietet die Liebe an als Alternative. Dabei redet er nicht über die Illusorische Liebe, als romantischer Kitsch oder Illusion, sondern über die Kraft der Urliebe, die Liebe zum eigenen Kind. Eine Liebe die siegt über die Angst." Die ist hier zerstört. Der Sohn der Quangels fällt im Krieg. Auch die starke Bindung zwischen den Eheleuten verliert am Ende, vorher entwickelt sie jedoch eine unglaubliche Kraft.

"Man spürt, dass Fallada den Text in nur 24 Tagen im Fieber geschrieben hat", sagt Perceval. Der leitende Regisseur konzentriert sich auf die epische Form. "Wir erzählen eigentlich alles mit einem Tisch." Die Schauplätze wechseln mit dem Erzähler. Die Figuren - neben dem Ehepaar treten diverse Kleinkriminelle und Obrigkeitsvertreter auf - entstehen aus der Gruppe heraus. Vergleichbar seiner epochalen Shakespeare-Inszenierung, dessen Rosenkriege er 1999 ruhmreich zu "Schlachten" zusammengeführt hatte.

"Jeder stirbt für sich allein" Premiere Sa 13.10., 19.00, Thalia-Theater (U/S Jungfernstieg), Alstertor, Karten zu 13,50 bis 66,- unter T. 32 81 44 44; Internet: www.thalia-theater.de