Seit 40 Jahren Schauspieler, Regisseur, Autor und Komiker: Wolf-Dietrich Sprenger wird 70 Jahre alt und feiert eine neue Premiere.

Hamburg. "Dann gehen wir mal in die Garderobe", sagt der Regisseur Wolf-Dietrich Sprenger ein wenig erschöpft am Nachmittag nach der Probe im Ernst-Deutsch-Theater, wirft sich auf einen Stuhl zwischen die herabhängenden Kleider und Blusen, sortiert die Damenschuhe am Boden um und stülpt sich die herumliegende Locken-Perücke auf den Kopf. Mal eben so. Ohne Grund. Ist eben ein geborener Komiker.

Wer in Hamburg lebt und ins Theater geht, der muss ihn kennen. Wolf-Dietrich Sprenger hat in den vergangenen 40 Jahren an allen großen Bühnen der Stadt gespielt, er hat dort inszeniert und Stücke geschrieben und neben wirklich unzähligen Rollen - knapp 100 listet die TV-Datenbank auf - natürlich auch in so norddeutschen Fernsehserien wie "Großstadtrevier" mitgespielt.

Sprenger, dem man immer noch ein klein wenig seinen anhaltinischen Sprachduktus anhört (wenn das R angeraut den Rachen runterrutscht), ist so etwas wie der Hamburger Schauspieler. Und doch hat er es hier nicht zu jenem Ruhm gebracht, wie ihn etwa Susanne Lothar, Ulrich Wildgruber oder Ulrich Tukur erreicht haben.

Wolf-Dietrich Sprenger ist der Alleskönner. Ein Multitalent, fast könnte man sagen ein Hans Dampf in allen Gassen, doch um ständig Dampf zu erzeugen, dazu ist er viel zu zurückhaltend. Vielleicht kann er einfach zu viel, um auf Stereotype und Klischees festgelegt zu werden. Sprenger war auf der Bühne vieles, aber in Erinnerung geblieben sind vor allem seine verzweifelt komischen Figuren. Schlotternd, gelenkig, spillerig spielte er alle großen komischen Rollen wie Malvolio aus Shakespeares "Was ihr wollt", der gefoppt wird durch eine Liebesverwirrung, den Diener Truffaldino aus Goldonis "Diener zweier Herren" oder den Handwerker Zettel, den Shakespeare in seinem "Sommernachtstraum" in einen Esel verwandelt. Auch in diesen Figuren ist er keiner, der dem Affen Zucker gibt, sondern ein Mensch, der verzweifelt gegen die Tücken des Lebens kämpft. Kinderstücke wie "Pinocchio" oder "Die Schildbürger" hat der vielseitige Schauspieler auch geschrieben und inszeniert. Am 11. Oktober kommt seine Inszenierung von Eugène Ionescos "Die Nashörner" am Ernst-Deutsch-Theater heraus. Am selben Tag wird Wolf-Dietrich Sprenger 70 Jahre alt.

Wolf-Dietrich Sprenger hat nie eine Schauspielschule besucht. In Berlin hat er Studententheater gespielt. Ivan Nagel sah ihn, lud ihn zum Vorsprechen ein. "Ich hatte Angst, ich war doch Amateur", sagt Sprenger, der über den Umweg der Städtischen Bühnen Krefeld doch bei Ivan Nagel landete, 1972 am Deutschen Schauspielhaus. "Ich bekam die kleinste Gage. Meine erste Rolle war ein Esel mit einem Eselskopf. Keiner konnte mich sehen", erzählt Sprenger, "ich war total unglücklich. Aber danach wurde meine Gage erhöht."

Sprenger sagt, er habe auch Glück gehabt. "Ich hab mit Minetti gespielt, mit Marianne Hoppe. Ich habe mir von diesen Großen viel abgeguckt, hab praktisch aus der Gasse gelernt." Professionell hat er nur "ein bisschen Sprechunterricht" genommen. Das Studium der Theaterwissenschaft war ihm allerdings zu langweilig. "Ich wollte mit Menschen arbeiten, etwas Praktisches tun. Ich habe jeden, wirklich jeden gefragt, ob ich Schauspieler werden soll. Meine Eltern waren entsetzt, dass ich das Studium schmeißen wollte. Mein Professor auch. Aber meine Eltern waren in der DDR, die konnten nichts dagegen machen. Mein Vater hat dann über Nacht weiße Haare bekommen. Und ich habe ihm versprochen, wenn ich in fünf Jahren nicht an einem großen Theater bin, studiere ich wieder. Nach fünf Jahren war ich am Schauspielhaus. Und dann habe ich an der Schauspielschule unterrichtet. Da waren meine Eltern beruhigt."

Sprenger hat mit Peter Zadek gearbeitet, mit Jürgen Flimm, mit Luc Bondy - mit allen bedeutenden Regisseuren seiner Zeit. "Ich hatte immer rasendes Lampenfieber", sagt er. "Es war furchtbar. Manchmal stand ich auf der Bühne und konnte mich vor Aufregung an nichts mehr erinnern, das wir geprobt hatten. Erst in den letzten Jahren ist es mit dem Lampenfieber besser geworden. Ich bin jetzt gelassener." Zum Schrecklichsten am Schauspielberuf gehört für ihn das Vorsprechen. Und das Textlernen. Furchtbar. "Besonders wenn man Kinder hat und die Nachmittage mit Lernen verbringen muss." Zum Schönsten am Beruf zählt für ihn, "sich einer Rolle zu nähern, sie zu gestalten. Und die Möglichkeit, Menschen zu verzaubern. Man kann Inhalte vermitteln, die man sonst nicht mitteilen kann."

Als junger Mensch, so sagt der Rastlose, habe er mit jeder seiner Rollen unmittelbar etwas bewirken, die Welt ändern wollen. "Heute bin ich bescheidener geworden. Ich bin froh, wenn ich Anstöße geben kann, wenn die Zuschauer nicht unmittelbar nach dem Ende der Vorstellung übers Essen reden, sondern über das Stück."

Neben dem Spielen hat Sprenger immer schon Stücke geschrieben und inszeniert. "In meinem ersten Engagement musste ich ein Kinderstück spielen, ein furchtbares Stück. Ich habe mich dann hingesetzt und selbst ein Kinderstück geschrieben, das im nächsten Jahr aufgeführt wurde. Inszeniert habe ich schon früh, weil mir das Spielen und Schreiben allein nicht gereicht hat. Vielleicht bin ich deshalb in keinem dieser drei Berufe ganz groß geworden."

100 Inszenierungen hat Wolf-Dietrich Sprenger gemacht. Überall im deutschen Sprachraum. Natürlich gibt es auch im Regisseursberuf Schreckliches: "Das ist, wenn man das falsche Stück ausgewählt hat, die falschen Schauspieler und das falsche Theater. Manchmal kommt alles zusammen."

Ist es leichter, im Alter Regisseur zu sein, als zu spielen? "Hm", überlegt Wolf-Dietrich Sprenger. "Beides erfordert viel Energie. Regieführen vielleicht am meisten." Und was stört ihn? "Der Umgang mit Sprache ist mir zu flapsig geworden. Sprache ist die Grundlage unserer Arbeit."

Eugène Ionesco: "Die Nashörner" Ernst-Deutsch-Theater, Friedrich-Schütter-Platz 1, Premiere 11.10., 19.30 Uhr, Karten unter T. 22 70 14 20

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