Stephan Schad durchdringt die Welt in Patrick Süskinds Monolog am Schauspielhaus

Hamburg. Dieses Stück ist ziemlich genial. Es ist der Gedanke, der einem immer wieder kommt während des 90-minütigen Monologs "Der Kontrabass" im Schauspielhaus, ein so einfaches Stück, das einem doch alles erklärt: die Musik, die Gesellschaft, das Leben. Wie konnte dieses Stück entstehen? Man fragt es sich ständig und stellt sich Szenarien vor, leider gibt Patrick Süskind ("Das Parfum"), der Autor des Theatertextes, ja keine Interviews. Aber er hatte einen Jugendfreund, das erfährt man aus dem Programmheft, der Kontrabass spielte, und so muss es gewesen sein: dass die beiden immer wieder zusammensaßen und der Freund ins Erzählen kam, über sein Instrument ("Ohne uns geht es nicht") und seine Stellung im Orchester ("Kein Schwein nimmt uns wahr"); und in all dem muss so viel Komik und Tragik gleichzeitig gelegen haben, dass Süskind daraus einen Monolog machte, wobei der Freund genauso gewesen sein muss wie Stephan Schad.

Schad wandert barfuß über die Bühne, lamentiert, referiert, trinkt sein Bier, schreit und schweigt - an den immer richtigen Stellen. Man lacht viel mit, man hört immer zu. Alles an diesem Abend ist aus einem Guss: das zurückgenommene Bühnenbild (Oliver Helf, Licht: Wolfgang Schünemann), die leise Dramaturgie (Max Claessen), die musikalischen Kontrapunkte von Henning Kiehn. An ihm, dem Kontrabassisten, reibt sich Schad das ganze Stück über, und der Musiker erträgt das mit einem Gesichtsausdruck, um den man ihn von Anfang an beneidet. Er trägt das beste Outfit des Abends: dunkelblaues Westernhemd, weiße Krawatte, weiße Schlaghose mit Paillettenapplikationen. Er passt so gar nicht zum zeternden Schad, der sich in Schlammfarben kleidet, als wollte er sich vor der Welt tarnen, in seinem schallisolierten Zimmer mit Kontrabass.

Stephan Schad lobpreist sein Instrument ("Das Fundament, auf dem sich dieses ganze herrliche Gebäude erhebt"), beschimpft sein Instrument ("Das ist kein Instrument, das ist ein Hindernis"). Er entlarvt sich als Handwerker des Orchesters und dann doch wieder als Künstler, als Leidender, unglücklich Verliebter. Da hat einer die ganze Welt verstanden, hat sie bis ins kleinste Detail durchdrungen - und die tollen Frauen rennen doch zu den anderen. So ist er, der Lauf der Dinge, und vergnüglicher als im Schauspielhaus bekommt man das derzeit nirgends erklärt. Viel Applaus und glückliche Gesichter.

"Der Kontrabass" von Patrick Süskind, Deutsches Schauspielhaus, Kirchenallee, weitere Vorstellungen am 10. und 28. Oktober, 7. und 13. November und 31. Dezember 2012, Karten gibt es unter T. 24 87 13