Drei Abende, drei Konzerte, dreimal war die Große Freiheit 36 ausverkauft: Der Kraftklub war übers Wochenende in der Stadt.

Hamburg. Was muss man eigentlich tun, um die Große Freiheit 36 ein komplettes Wochenende lang auszuverkaufen? Entweder man lockt mit massig Freigetränken und stellt dazu Singles beiderlei Geschlechts in reichhaltiger Auswahl in Aussicht. Oder man heißt Kraftklub.

Drei Abende, drei Konzerte, drei mal rappelvolle, jauchzende, alle Songs mitgrölende Bude - es ist die Musik, es sind die Texte, mit denen die fünf Jungs aus "Karl-Marx-Stadt" auftrumpfen. In welcher Geschwindigkeit die Band vom unbekannten Nischen-Act zum Live-Dauerausverkäufer der Nation geworden ist, das ist schon ein wenig unheimlich. Vor einem Jahr dachte man beim Wort Kraftklub in erster Linie an mittelalterlich anmutende Folterinstrumente zur körperlichen Ertüchtigung. Dann kam Stefan Raabs Bundesvision Song Contest, bei dem die Herren mit "Ich will nicht nach Berlin" erfolgreich auf sich aufmerksam machten. Und spätestens, seit das Album "Mit K" auf dem Markt ist, kommt man um Felix und Till Brummer, Karl Schumann, Max Marschk und Steffen Israel nur noch vorbei, wenn man sich ganz fest die Ohren zuhält.

Das liegt nicht nur am plakativen Anti-Berlin-Slogan, der gerade den St.-Pauli-Fans - der Ausgleich von Union Berlin kurz vor Schluss hätte nun wirklich nicht sein müssen - aus dem Herzen sprechen dürfte. Sondern auch daran, dass Kraftklub ein glaubwürdiges, griffiges Gesamtpaket anbietet: Zum einen sind da die Melodien, die mit Gespür für den Ohrwurm geschrieben und mit großem Spaß vorgetragen werden. Einen Innovationspreis gibt es dafür sicher nicht, es fehlen die bahnbrechenden Ideen. Aber selbst wenn man das Gefühl nicht loswird, das alles schon einmal genau so gehört zu haben, gleichen die Texte die musikalischen Mangelerscheinungen mehr als aus.

"Kredibilität liegt immer noch in weiter Ferne/Wir sind nicht Tocotronic, und wir sind auch nicht Die Sterne." Nein, intellektuell oder gar politisch gibt sich Kraftklub mit Sicherheit nicht. Trotzdem darf sich die Band auf die Fahne schreiben, ein Sprachrohr zu sein - für die Zuhausegebliebenen, für die, deren Leben mal wieder Amok läuft, statt sich in geordneten Bahnen zu bewegen, für die unglücklich Verliebten. "Und wenn du mich küsst/Schreibt Noel wieder Songs für Liam" ist zwar ziemlich erpresserisch, aber für alle Oasis-Vermisser trotzdem ein echter Deal. Und die fünf Jungspunde auf der Bühne können einem stellvertretend für alle anderen Anfang 20 schon ein wenig leid tun, wenn sie in "Zu jung" "Wir haben Philip Roth zehn Jahre danach gelesen" und "Egal, wo wir hinkommen, unsere Eltern waren schon eher hier" singen. Dass das, was sie da so auf der Bühne treiben, trotzdem nicht nur Zuspruch findet, gerade bei denen nicht, für die Popmusik nur als Schimpfwort, nicht als zulässiges Genre taugt, ist ihnen nicht nur bewusst, sie nähern sich dem Vorwurf im Song "Eure Mädchen" mit breitem Grinsen: "Wir sind nicht kredibil/Wir machen Popmusik/Wir sind nicht wie die anderen Jungs/Doch eure Mädchen tanzen mit uns."

Ja, trotz knarzender Gitarren und knallendem Schlagzeug bleibt Kraftklub Popmusik. Postmoderne Popmusik, um genau zu sein. Der Spaß am Wildern im Zitatenschatz und das selbstironische Augenzwinkern, die in Worte und Musik gefassten Gemütslagen von himmelhochjauchzend bis zu Tode betrübt und die Unbekümmertheit, mit der die Chemnitzer Band dabei zu Werke geht, sind das Rezept, mit dem Kraftklub Abend für Abend für Abend Erfolg hat.