Hamburg. Dass die Hamburger Premiere einer neuen Choreografie von John Neumeier nicht hoffnungslos ausverkauft ist - kaum zu glauben, aber es kann passieren. Nun zieht das allen Formen junger Bühnenkunst gegenüber sympathisch aufgeschlossene Ernst-Deutsch-Theater ein ganz anderes Publikum an als die Staatsoper. Neumeier schuf die Kreation zu Beethovens Streichquartett B-Dur, op. 130 nicht für seine Stamm-Compagnie, sondern fürs Bundesjugendballett (BJB), das gerade erst ein Jahr existiert. Außerdem handelt es sich dabei um ein "Work in Progress", es war also im Zustand absichtlicher Unfertigkeit zu besichtigen. Und dann versteckte sich das Werk noch fast, als Schlusslicht des Programms.

Zuerst tanzten die vier Männer und vier Frauen des jungen Ensembles eine lange, spannungsarme Choreografie von Sasha Riva namens "Muted" zum live gespielten Klavierquartett von Peteris Vasks. Wiewohl als Repertoirestück gepriesen, glückte dem Stück wegen vieler Manierismen kaum der Sprung über die Rampe. Am stärksten war das Frauenquartett auf vier Stühlen und um vier Stühle herum. Die musikalische Darbietung krankte an Intonationsschwächen und wenig Feinheit im Umgang mit dem Material.

Das kurze "Les yeux verts cheveux noirs" des 20-jährigen BJB-Tänzers Patrick Eberts dagegen kommunizierte auf direktem Wege. Unter Zuhilfenahme eines quietschgelben Gummiballs, der neben seiner Eigenschaft als Spielgerät sein Potenzial als Evas Apfel entfaltete, gelang Eberts eine von gutem Timing geleitete, vergnügte und dekorative Arbeit. Sie entstand parallel zur Musik der chinesischen Komponistin Guo Yanwa, die augenzwinkernd Peking-Oper mit abendländischer Kammermusik verlötet. Neumeier dann zeigte in der vollendeten Absichtslosigkeit, mit der er die Musik in Bewegung, in Figuren und Konstellationen überträgt, erneut seine Meisterschaft. Schade - und klar, dass Schüler wie Riva nur das Formelhafte an ihm kopieren können, nicht sein Genie.