Die gemeinnützige Stiftung Investigate will in Zeiten der Medienkrise den besonders kostenintensiven investigativen Journalismus fördern

Hamburg. Am 10. September lief um 22 Uhr im WDR Fernsehen in der Reihe "Die Story" eine bemerkenswerte Dokumentation. In ihrem Stück "Pharma-Sklaven" decken die Journalisten Rebecca Gudisch und Benjamin Best auf, dass in Indien arme und ungebildete Patienten ohne ihr Wissen für klinische Studien mit noch nicht zugelassenen Medikamenten missbraucht werden. Auftraggeber sind auch deutsche Pharmakonzerne wie Bayer und Boehringer Ingelheim.

"Pharma-Sklaven" ist aber nicht nur wegen seiner hohen Qualität bemerkenswert: Die Dokumentation ist die Erste, die von Investigate unterstützt wurde. Die 2011 gegründete gemeinnützige Stiftung hat es sich zum Ziel gesetzt, Journalisten aufwendige investigative Recherchen zu ermöglichen. Die Dokumentation von Gudisch und Best unterstützte Investigate mit etwa 10 000 Euro, welche die Autoren etwa für Reisen quer durch Indien und Dolmetscher benötigten.

Einer der Initiatoren der Stiftung ist der Hamburger Journalist Klaus Liedtke, bis zu seiner Pensionierung 2009 Chefredakteur von "National Geographic" und davor in gleicher Funktion beim "Stern" tätig. Dem Journalismus ist er seither als Berater und Mitglied mehrerer Jurys verbunden. Und so war es auch eine Jurysitzung, auf der 2010 die Idee zur Gründung von Investigate geboren wurde. "Wir wollten nicht nur einen Preis verleihen", erinnert sich Liedtke, "sondern auch investigative Recherchen fördern".

"Wir", das waren die Juroren des CNN Journalism Award, der alljährlich in München den besten Journalisten unter 35 Jahren im deutschsprachigen Raum verliehen wird. Vier von ihnen - neben Liedtke, der stellvertretende "Stern"-Chefredakteur Dominik Wichmann, RTL-Chefredakteur Peter Kloeppel und der Schweizer "Tagesschau"-Sprecher, Franz Fischlin - sitzen auch in der Jury von Investigate, die entscheidet, welche Projekte gefördert werden. Weitere Jurymitglieder sind der ehemalige Chefredakteur der "Süddeutschen Zeitung" Hans Werner Kilz, die "Panorama"-Moderatorin Anja Reschke, der Leiter der Henri-Nannen-Journalistenschule, Andreas Wolfers, sowie mehrere namhafte Journalisten aus Österreich und der Schweiz. Dem Vorstand der Stiftung gehört neben Liedtke noch der Münchner Medienunternehmer Christian Niebelschütz an.

Die Notwendigkeit einer Organisation wie Investigate leuchtet jedem ein, der im Journalismus arbeitet. Im Zeichen der Medienkrise werden seit Jahren Redaktionen die Mittel gekürzt. Aufwendige Recherchen sind vielerorts kaum mehr möglich. Schon wird über einen sogenannten "dritten Weg" bei der Finanzierung von rechercheintensivem Qualitätsjournalismus diskutiert. Dabei ist häufig von Stiftungsmodellen die Rede. Vorbildfunktion hat für viele die amerikanische Stiftung ProPublica, die von dem ehemaligen Chefredakteur des "Wall Street Journal", Paul Steiger, geleitet und allein von den Milliardären Herbert und Marion Sandler mit jährlich zehn Millionen Dollar unterstützt wird. Von ProPublica geförderte Geschichten gewannen bereits mehrere der begehrten Pulitzer Preise.

Von den Möglichkeiten von ProPublica kann man bei Investigate nur träumen. Bisher erlaubt es der Etat, nur zwei Projekte pro Jahr zu unterstützen. Neben den "Pharma-Sklaven" ist dies in diesem Jahr eine weitere Auslandsreportage, bei der allerdings nicht feststeht, ob sie beendet werden kann. Denn auch das ist spezifisch für investigative Recherchen: Sie können aus vielerlei Gründen scheitern, was sie in Zeiten rückläufiger Auflagen und einbrechender Anzeigenerlöse für viele Redaktionen nicht gerade attraktiv macht.

Bisher hat Investigate nur zwei große Mäzene: die Unternehmensberatung Roland Berger und den Automobilhersteller Audi. Liedtke weiß, dass dies nicht ausreicht. Deshalb werden sich Mitglieder von Investigate, aber auch andere namhafte Journalisten, am 12. November in einem Berliner Hotel mit Vorstandsvorsitzenden großer Unternehmen treffen. "Der freie Journalismus ist eine der Säulen unserer Demokratie", sagt Liedtke. "Es muss im Interesse der Wirtschaft sein, dass diese Säule nicht ins Wanken gerät." Ein Erfolg wäre das Treffen, wenn Investigate künftig mit einem sechsstelligen Jahresetat arbeiten könnte.