“Die Betrogenen“ ist eine stil- und pointensichere Satire über den Literaturbetrieb

Michael Maar hat sich als Literaturkritiker und literarischer Essayist einen Namen gemacht. Nun, im Alter von 52 Jahren, hat er seinen Debütroman veröffentlicht. "Die Betrogenen" ist kein Ehebruchroman und kein Situationsporträt aus unserer Krisenzeit. Es ist eine federleicht geschriebene, stil- und pointensichere Satire über den Literaturbetrieb. Aber keine Angst, es geht nicht um Insiderwissen oder den Wiedererkennungswert der Protagonisten - wenngleich Großschriftsteller wie Günter Grass oder Martin Walser in der Figur des eitlen alternden Dichters Bittner durchaus vorstellbar sind.

Nein, die Geschichte um den Dichter Bittner, einen Typ voller Geschraubtheiten und Marotten, seinen Biografen Karl Lorentz, Bittners nicht minder großen Widersacher Manteuffel, mit dem er sich immer wieder verzankt und versöhnt, einen kunstsinnigen polnischen Handwerker, eine erotisch aufgeschlossene Literaturagentin, Verleger und viele andere, die sich im Literaturbetrieb tummeln, handelt von Liebe und Tod wie jeder große Roman. Nur dass es hier auch um literarische Motive geht, um geistreiche Gespräche, neugierige Blicke, um Bünde, die man schmiedet, um frühere Kränkungen, um Geltung und Geltungssucht, um Betrügen und Betrogenwerden und darum, dass man sich etwas vormacht und blind ist für die Wirklichkeit, denn das gehört zum Geschäft.

Karl jedenfalls soll die Biografie Bittners schreiben, man geht miteinander spazieren, plaudert, doch Karl hat eigentlich keine Lust mehr zu dem Buch (und hier mag man den Autor Maar wiedererkennen, der als Sohn des Kinderbuchautors Paul Maar - "Das Sams" - sicher wenig Lust verspürt, einer Vaterfigur ein Denkmal zu errichten). Stattdessen lernt Karl Bittners Tochter kennen, eine Galeristin, in die er sich sofort verliebt. Maar legt nun Fährten aus und Motive. Wer will was von wem? Manche Wege führen in die Irre, landen im Abseits. Die Demaskierungen sind Teil des Spiels. Die Helden wie die Leser täuschen sich über etwaige Absichten und Spuren.

Bittners Tochter verschwindet nach Amerika, dafür weiß die Agentin erotische Avancen zu schätzen. Der Literaturzirkel trifft sich bei Tagungen, auf der Messe, in Kneipen und Restaurants. Ja, und ein Bordellbesuch (so sudelig ist der intellektuelle Betrieb) steht auch auf dem Programm der Literaten.

Michael Maar hat einen raffinierten, amüsanten kleinen Roman geschrieben, in dem es um falsche Spuren und Wahrheiten geht, um Irrungen und Wirrungen der menschlichen Natur ganz allgemein. Der Szene-Italiener, bei dem man sich im Roman trifft, ist in Wahrheit Albaner. Und so sind sich wohl nicht nur die Literaten einig: Die ganze Welt will eigentlich betrogen sein.

Michael Maar: "Die Betrogenen", C. H. Beck, 144 S., 16,95 Euro