Ein Mitsing-Konzert in der O2 World ohne Überraschungen

Hamburg. Ob sich Chad Kroeger und seine Mitstreiter daran stören, dass Nickelback nicht nur eine der beliebtesten, sondern auch eine der meist gehassten Rockbands weltweit ist? In Anbetracht von mehr als 50 Millionen verkauften Alben und treuer Fans, von denen 8500 am Mittwoch in der O2 World feierten, dürfte es ihnen egal sein.

Sie ziehen ihren Stiefel jedenfalls konsequent durch, arbeiten sich durch Power-Balladen ("Photograph", "How You Remind Me"), noch mehr Powerballaden ("Lullaby", "Trying Not to Love You") und härteres Gerümpel ("Rockstar", "Animals"). Und das, wofür sie gleichermaßen vergöttert wie geächtet werden - Stadionrock der äußerst eingängigen Variante - machen sie sehr gut. Die Töne sitzen, Frontmann Kroeger gibt Sänger, Gitarrist und Anheizer in Personalunion. Von "This Means War" bis "Burn It to the Ground" leisten sich die Kanadier keine Aussetzer. Echte Profis eben.

Band und Publikum wirken 105 Minuten lang wie eine gut eingespielte Maschine: Die Rädchen greifen ineinander, Ansagen wie "I love you, Hamburg!" und das Verschießen von Fan-Shirts in die Menge (bekommt man ein solches in einem unbedachten Moment an die Schulter gefeuert, ist das übrigens relativ unangenehm) treiben die Zylinder an. Doch wohin geht die Fahrt?

Das lässt sich abseits des kommerziellen Erfolgs schwer sagen: Denn genau wie eine Maschine wirkt die Show, ja die ganze Band beizeiten etwas seelenlos. Zu perfekt, zu glatt sind Musik und Auftritt. Nickelback kommt ohne das Rohe, Ungeschliffene aus, ohne die akustischen Ecken und Kanten, die an Rock-Musik genauso faszinieren können wie große Gesten und augenzwinkernd frivole Texte à la "Something in Your Mouth". Das unbestritten vorhandene musikalische Talent der Bandmitglieder nutzen sie, um Ohrwürmer zu generieren, die jeder mitsingen kann, der sie auch nur einmal gehört hat. Die Schemata der Arrangements ähneln sich, Überraschungen gibt es keine.

Und genau deswegen ertappt man sich irgendwann unweigerlich beim Mitwippen. Damit nicht genug: Auf dem Heimweg brummt es sogar leise im Bus: "I wanna be a rockstar." Rockstar müsste man sein - müsste man überhaupt nicht - obwohl ...