Der israelische Choreograf Hofesh Shechter eröffnet die Kampnagel-Saison

Der Mensch muss vergessen, um persönliches Unglück zu überwinden und weiterleben zu können. Der Mensch darf andererseits nicht vergessen, was ihm oder anderen durch politischen Terror oder Verbrechen im Namen einer Ideologie zugefügt wurde. "The Art of Not Looking Back", der Titel von Hofesh Shechters 2009 entstandener Choreografie, ist durchaus doppeldeutig zu verstehen. Die Tänzerinnen seiner Company inspirierten das Stück, es ist auch ihnen gewidmet. Auf einen gemessenen Schritt-Rhythmus, über dem die Stimme aus John Zorns "Litany" schwebt, entfaltet das Sextett, eingeschlossen von Wänden, ein Klageritual, in dem Volkstanz-Elemente wie auch modernes, oft bodennah verschlungenes Bewegungsvokabular weich verschmelzen.

Der seit 2002 in London lebende israelische Choreograf kommt aus dem Volkstanz. Er gehörte nach seinem Studium an der Akademie für Musik und Tanz in Jerusalem drei Jahre zu Ohad Naharins Bathseva Dance Company.

Dort begann er Schlagzeug zu spielen und zu komponieren und beschloss, sich der Musik zu widmen. Er tourte mit der Band The Human Beings, bis er pleite war und sich auf seine Tanzausbildung besann. Beim Choreografieren konnte er beides verbinden und gehört jetzt zu den "heißen Talenten" in der britischen Tanzszene. Den internationalen Durchbruch schaffte er vor sechs Jahren mit der knapp halbstündigen Männer-Choreografie "Uprising", die auf Kampnagel bereits beim Sommerfestival 2008 zu sehen war.

"Uprising" ergibt durch die Besetzung und explosiv gesteigerte Durchführung ein wirkungsvolles Kontraststück zur deutschen Erstaufführung von "The Art Of Not Looking Back". Die sieben Jungen rotten sich zu Shechters peitschenden Perkussionseruptionen zusammen, sie fegen und rollen in einer rasanten Mischung aus Streetdance, Hip-Hop und Kampfkunst über den Boden. Der Einzelne attackiert die anderen. Bis sie sich zur Gruppe vereinen und gemeinsam stark den "Aufstand" probieren. Shechters Choreografien kreisen um das Verhältnis des Individuums zur Gesellschaft und handeln vom persönlichen Widerstand gegen Mechanismen von Macht und Unterdrückung.

"Uprising/ The Art Of Not Looking Back" Mi 26.-Sa 29.9., 20.00, Kampnagel (Bus 172/173), Jarrestr.20-24; Karten zu 12,- bis 32,- unter T. 27 09 49 49; www.kampnagel.de