Der Filmproduzent Bernd Eichinger starb im vergangenen Jahr. Katja Eichinger hat nun ein pralles Buch über ihren Mann geschrieben.

Hamburg. Ihn kannten auch Menschen, die sonst nicht besonders viel mit dem Kino am Hut hatten. Das lag nicht nur an den oft spektakulären Filmen von Bernd Eichinger wie "Der Baader Meinhof Komplex", "Der Untergang", "Das Parfum" oder "Der Name der Rose", mit denen er Millionen ins Kino lockte. Es hatte auch viel damit zu tun, wie er sich präsentierte, denn er war sichtbarer als viele seiner Kollegen.

Mal gab sich der Produzent, Regisseur, Drehbuchautor und Schauspieler einfühlsam und charmant, dann ließ er wieder rotzig den Alpha-Rüden heraushängen. Eichinger, der im vergangenen Jahr mit 61 Jahren gestorben ist, hat polarisiert, Kinogeschichte geschrieben, eine geradezu barocke Sinnenlust ausgelebt und war doch von vielen Dämonen geplagt. Seine Witwe, Katja Eichinger, hat jetzt eine Biografie über ihn geschrieben. Sie heißt ganz einfach "BE". Am Mittwoch stellt sie das Buch zusammen mit Stefan Aust beim Harbour-Front-Festival vor.

Es ist ein pralles Buch über einen Mann geworden, der zu Lebzeiten umstritten war, nach seinem Tod aber viele Ehrungen erhielt. Die Idee zum Buch hatte Bernd Eichinger noch selbst. "Zu Bernds Lebzeiten habe ich versucht, das Thema zu wechseln, wenn seine Biografie zur Sprache kam", sagte die ehemalige "Variety"-Journalistin dem Abendblatt. "Mir war bewusst, was das für eine enorme Aufgabe werden und wie sehr diese mich in Beschlag nehmen würde. Natürlich war da bei mir die Angst zu versagen und Bernd als Menschen nicht gerecht zu werden, permanent vorhanden. Also, ich könnte Ihnen jetzt eine lange Liste an Ängsten und Bedenken geben, die mir während der Arbeit an dem Buch den Schlaf geraubt haben. Aber Angst ist, wie er oft betonte, immer ein schlechter Ratgeber."

Gute Ratgeber hatte Eichinger hingegen, als sie die Idee umsetzte, Wegbegleiter ihres Mannes zu befragen. So ist "BE" ein vielstimmiges Buch geworden, in dem unter anderem Tom Tykwer, Til Schweiger, Volker Schlöndorff, Wim Wenders und "Bully" Herbig zu Wort kommen. Die Eichinger schildert den Eichinger, den Arztsohn und Nachfahren von in die USA ausgewanderten und später zurückgekehrten Bierbrauern, der von seinen Eltern ins Internat gesteckt wird, wo er sich oft einsam in den Schlaf weinte. Nach dem Filmstudium in München und ersten Erfahrungen im Geschäft wird das Drogendrama "Christiane F. - Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" zu seinem ersten großen Erfolg.

Eichinger hat sich leidenschaftlich, manche meinen: besessen, in seine Filmprojekte hineingekniet. Er hat hoch gepokert und stand mehr als einmal vor dem Aus. Er hat versucht, in Hollywood Fuß zu fassen, und war mutig: Als er Geld für "Die unendliche Geschichte" in den USA einsammeln wollte, zeigte er den Film dem Studio-Chef Mike Medavoy von Orion Pictures. Als der während der Vorführung privat telefonierte, ließ der Deutsche sie abbrechen. Ein Sakrileg in Hollywood. Dann wieder war er ziemlich lässig. Als die Entscheidung zwischen zwei Studios fallen sollte, fuhr er mit Assistentin Anna Gross nach Malibu. Dabei hatten sie nur einen Picknickkorb mit dem Nötigsten: Bier, Hummer, Marihuana.

Zurück aus den USA begegnete Eichinger im Berliner Promi-Restaurant Borchardt Tom Cruise. "Großartig, lass uns einen Film zusammen drehen", schlug Cruise vor. Eichinger fühlte sich zwar geschmeichelt, aber als das Angebot kam, "Operation Walküre" mit Cruise zu produzieren, lehnte er ab. Er hielt ihn für nicht integer genug.

Vom deutschen Feuilleton fühlte Eichinger sich nicht ausreichend geliebt. Das kompensierte er mit Freundinnen - Hannelore Elsner, Barbara Rudnik, Katja Flint oder Corinna Harfouch. Manchmal ging es ihm auch nur um Sex. Anna Gross beschreibt, wie sie gemeinsam am Sunset Boulevard Prostituierte auswählten. "Ich hatte ein Vetorecht. Wenn ich fand, dass die Hure zu schmutzig aussah und dass er sich von ihr wahrscheinlich irgendeine schlimme Krankheit holen würde, durfte ich Einspruch erheben." Man könnte meinen, dass Recherchen in diesem Bereich nicht immer ganz einfach für die Autorin waren. Katja Eichinger winkt ab: "Bernds Ex-Freundinnen sind allesamt faszinierende Frauen mit Format. Zwei davon sind durch die Arbeit am Buch zu echten Freundinnen geworden."

Erfolge hat Eichinger mit den Filmteams in vollen Zügen genossen. Alkohol floss oft in Strömen. Der Produzent hatte es sich zu einer Angewohnheit gemacht, in Restaurants Gläser zu zertrümmern. Autoradios mussten auch dran glauben, wenn sie nicht so reagierten, wie er es wollte. Mit Faustschlägen brachte er sie zur Strecke.

Der in der Öffentlichkeit oft so selbstbewusst auftretende Filmemacher wurde oft von Selbstzweifeln, Versagensangst und der Furcht vor Kontrollverlust gequält. Der Pink-Floyd- und Superhelden-Comics-Fan trieb durch seinen exzessiven Lebensstil Raubbau an seiner Gesundheit. Dennoch kam sein Tod überraschend.

Das Schreiben von "BE" hatte für die Autorin eine heilsame Wirkung. "Das Buch hat mir erlaubt, meinen Dialog mit Bernd fortzuführen. Aber Trauer ist ein Prozess, den man nur mit sich selbst ausmachen kann." Als Journalistin wird sie zunächst nicht wieder arbeiten. "Obwohl Filmjournalismus ein schöner Beruf ist. Man kann dabei die Liebe seines Lebens kennenlernen."

Katja Eichinger, Stefan Aust Mi 19. September, 20.00, Imperial-Theater, Reeperbahn 5, Karten 14,-

Katja Eichinger: "BE". Hoffmann und Campe, 576 Seiten, 24,99 Euro