Im ausgelutschten Arztgenre lässt “Auf Herz und Nieren“ Schlimmes befürchten. Doch die Sat.1-Serie überrascht mit echtem Alltag und guten Dialogen.

Das lässt keine gute Diagnose erwarten: Die nächste Arztserie zieht ins Feld der Fernsehunterhaltung, ausgerechnet beim Romantik-Comedy-Kanal Sat.1, der seinen Quotenangriff auch noch "Auf Herz und Nieren" tauft. Seit Dr. Brock 1967 seine ARD-Praxis öffnete und 13 Jahre später das "Krankenhaus am Rande der Stadt" den OP, gelten weiße Kittel zwar als Erfolgsgaranten; die Realität war dort allerdings selten in Behandlung. Dafür regierten Halbgötter namens Heilmann und Himmel, Milde oder Engel.

Auch "Auf Herz und Nieren" hätte folglich hippokratischer Gefühlsquatsch mit Hightechsoße werden können, ergänzt um Kamerafahrten durch verstopfte Arterien und Hitzewallungen am Krankenbett. Doch weit gefehlt: Sat.1 hat Stefanie Stappenbeck und Max von Pufendorf ein Arztteam auf den Leib schreiben lassen, das frischen Wind ins Genre bläst. Die selbstlose, aber chaotische Kiezärztin Nina Hansen und der selbstsüchtige, aber brillante Schönheitschirurg David Heller heben sich angenehm ab vom fiktiven Restkollegium. Trotz aller Klischees.

Denn auch sie bilden (natürlich) jenen Typ Gegensatzpaar, der die Kanzleien, Kliniken, Kommissariate am Bildschirm bevölkert. Etwa im ZDF, wo sich Dominic Raacke und Christiane Paul nächsten Sonnabend zum vierten Mal als "Der Doc und die Hexe" um Schul- vs. Alternativmedizin streiten. Das läuft bei Sat.1 kaum anders: Als der Zufall den Großkotz David statt in eine schicke Privatklinik direkt in die Brennpunktpraxis der alternativen Nina führt, werden Wehwehchen an Kopf, Herz und Bauch behandelt, die das "General Hospital" schon 1963 kurierte. Seither ist der Plot zwischen Heilen und Heulen quotenerprobt wie die Charaktere von A (Arzthelferin) bis Z (Zicke).

+++Gottschalk ist Teil einer Show, die an niedrigste Instinkte appelliert+++

Auch "Auf Herz und Nieren" bewegt sich in diesem Spannungsfeld deutscher Variationen amerikanischer Vorbilder vom Schwarzwald bis zur Charité, von "Doctor's Diary" bis "Dr. Molly". Dennoch hat der Siebenteiler ein eigenes Gesicht. Was nicht mal am Drehbuch allein liegt, das heitere Dialoge ("Tobias war auf einem guten Weg." - "War Michael Jackson auch.") neben harte ("Fotze!" - "Gesundheit!") stellt. Es hat auch weniger mit der Abkehr vom Mainstream zu tun, der sich weder in Dr. Kleists reaktionärer Betulichkeit noch im zeitgemäßen C.S.I.-Technizismus erschöpft. Das Besondere ist die Fallhöhe der Protagonisten: hier ein fürsorglicher Junkie, da ein bekiffter Philosoph flankieren eine Hauptfigur, der es neben Geld auch ums Gute geht, samt seiner edelmütigen Partnerin mit Hang zu störrischem Dogmatismus.

Das ist eine Ausnahme im Einerlei, das mit starren Persönlichkeitsstrukturen gerade 25 Jahre "Landarzt" feiert oder auf allen ARD-Kanälen "In aller Freundschaft". Dieser Mix aus Herz und Herrschaftswissen wirkt sogar noch braver, seit ihm "Emergency Room" 1995 die Wirklichkeit injizierte und "Dr. House" den Zynismus. Selbst wenn er wie "Doctor's Diary" witzig oder "Klinik am Alex" hip sein soll.

Dazwischen sucht Sat.1 nach Seriosität, ohne an Leichtigkeit zu verlieren. Und biedert sich ihrer Zielgruppe an, indem jede Szene zum Videoclip vertont wird. Doch im Kern zeigt die Serie, dass dem Genre noch was zu entlocken ist, sofern das Ärztliche ein Vehikel unserer Bedürfnisse ist, keine Leistungsschau moderner Diagnostik oder Freakshow. "Auf Herz und Nieren" zeigt einen Alltag, der mal lustig ist, mal ernst. Und manchmal beides zusammen.

"Auf Herz und Nieren" Sat.1, 20.15 Uhr