Regisseur Daniel Stamm landete 2010 mit “Der letzte Exorzismus“ einen weltweiten Kinohit. Seitdem bekam er Hunderte Drehbücher. Ein Horror.

Los Angeles. Daniel Stamm hat es geschafft. Von Langenhorn nach Hollywood. Vor zwei Jahren kam sein dokumentarisch anmutender Psychothriller "Der letzte Exorzismus" weltweit in die Kinos und spielte bei Produktionskosten von knapp zwei Millionen Dollar mehr als 40 Millionen Dollar ein. Die Presse (auch das Abendblatt) berichtete, Quentin Tarantino gratulierte nach der Premiere, M. Night Shyamalan ("The Sixth Sense") bot an, Stamms nächsten Film zu produzieren und lud ihn für drei Monate in sein riesiges Anwesen nach Philadelphia ein, um am nächsten Drehbuch zu arbeiten, doch einen neuen Film gibt es bisher nicht.

"Es ist schon verrückt", sagt Stamm. "Ich bin Regisseur und sollte drehen, aber tatsächlich habe ich jetzt drei Jahre lang nicht hinter der Kamera gestanden." Das allerdings aus gutem Grund, denn Hollywood funktioniert so: Nur zehn Prozent der Filme, die eigentlich drehreif sind, werden tatsächlich fertiggestellt und kommen ins Kino. Der Rest gelangt über die Planungsphase nicht hinaus, zumeist weil Geldgeber abspringen oder Marketingexperten das Risiko eines Flops als zu hoch einschätzen. Auch Daniel Stamm hat so etwas mehr als einmal erlebt.

Nach dem großen Erfolg des "Letzten Exorzismus" standen nicht nur die Filmagenten Schlange, um das hoffnungsvolle Nachwuchstalent unter Vertrag zu nehmen, Stamm wurden auch Hunderte Drehbücher geschickt. "Eines furchtbarer als das andere", sagt er lachend. "Man bekommt nur Sachen aus dem Genre, mit dem man schon einmal Erfolg hatte. In meinem Fall also Horror." Und so stapelten sich bei ihm bald die immergleichen Schlitzer- und Folterschock-Drehbücher im Stil der "Saw"-Reihe, bei denen spätestens nach 20 Minuten gemetzelt und gemordet wird. Statt irgendwann zuzugreifen, um überhaupt wieder als Regisseur arbeiten zu können, schlug Stamm all diese Angebote aus, denn: "Du bist in Hollywood nur so viel wert, wie dein letzter Film eingespielt hat." Bedeutet: Ein Flop und er verschwindet auf Dauer vom Radar der Studios.

+++Ein Hamburger Junge und sein Traum von Hollywood+++

Bisweilen führte sein Bestehen auf Qualität zu grotesken Szenarien. Etwa wenn Produzenten ein Drehbuch an zwölf Regisseure schickten, elf den Film auch machen wollten, Stamm aber nicht. Und dann ausgerechnet der Langenhorner mit Anrufen und E-Mails überschüttet wurde, warum er denn um Himmels willen ein solches Angebot ablehne. "Die hatten Angst, dass ich bei dem Stoff Mängel erkannt habe, die ihnen entgangen sind", sagt er und weiß: "Die werden erst so richtig geil auf dich, wenn du Nein sagst." Eine Erfahrung, die er auch mit den mächtigen Weinstein-Brüdern (Produzenten von "Inglourious Basterds" und "The King's Speech") machte, die Stamm als Einspringer für einen kurzfristig erkrankten Regisseur gewinnen wollten und ihn tagelang im Zwei-Stunden-Takt anriefen. Als Stamm hart blieb, weil ihm die Rahmenbedingungen nicht gefielen, wurde es filmreif. "Das Telefon klingelte und ein Mann fragte mit Mafiastimme, ob ich bereit wäre, jemandem einen Gefallen zu tun, der sich vielleicht irgendwann für mich lohnen werde." Ein Angebot, das der 36-Jährige nicht ablehnen wollte. Also erklärte er sich bereit, das Drehbuch durchzuarbeiten und Verbesserungsvorschläge zu machen. Übrigens ohne dafür auch nur einen Cent zu bekommen. Bezahlt wird für so etwas in Hollywood nämlich nicht.

Was Daniel Stamm locker nimmt, weil er recht bescheiden mit zwei Mitbewohnern und einer Katze im nicht so teuren Teil von L.A. wohnt. Und weil "Der letzte Exorzismus" immer noch die Miete zahlt, etwa wenn der Film in Malaysia auf DVD erscheint oder im russischen Fernsehen gezeigt wird und für Stamm Tantiemen abfallen. Trotzdem: "Alle zwei Monate ruft mein Agent an und fragt, ob ich finanziell noch zurechtkomme oder ob er mir Fernsehaufträge verschaffen soll."

Der großen Leinwand den Rücken zu kehren, das wäre allerdings nach Hollywood-Denke ein Abstieg, und so hat Stamm lieber weiter gewartet, Produzenten, Finanziers oder Schauspieler getroffen und mit ihnen über Drehbücher geredet - aus denen dann doch nichts wurde. Auch mit dem amerikanischen Shootingstar Mary Elizabeth Winstead, die u.a. in Tarantinos "Death Proof" zu sehen war. Auf das Gespräch habe er sich vorbereitet wie aufs Abi, erzählt Stamm. "Ich wollte auf jede mögliche Frage eine Antwort parat haben." Nur um festzustellen, dass Mrs. Winstead weder eine einzige konkrete Frage hatte noch genau wusste, über welches Drehbuch da eigentlich geredet wurde. Der ganz normale Hollywood-Irrsinn, wie Stamm längst erkannt hat.

Dann jedoch ging alles - ebenfalls typisch Hollywood - ganz schnell: Plötzlich und unerwartet stand die Finanzierung von "Angry Little God", ein Remake des thailändischen Thrillers "13: Game Of Death", in dem ein hoch verschuldeter Angestellter 13 Aufgaben lösen muss, um eine Prämie von sechs Millionen Dollar zu gewinnen. Gemeinsam mit einem Kollegen schrieb Daniel Stamm das Skript und castete die Schauspieler; bereits am 8. Oktober beginnen die Dreharbeiten in New Orleans. Ob ihm erneut ein Kassenschlager gelingt, weiß Stamm nicht. Aber er hat ein gutes Gefühl. Und auf etwas anderes kann er sich in Hollywood ja ohnehin nicht verlassen.