St.-Pauli-Kirche. Manche Autoren halten Frauen für die besseren Menschen. Mit seinem bei Wagenbach erschienenen Roman "Zementfasern" stimmt der italienische Autor Mario Desiati in diesen Chor ein. Bei ihm sind die Männer entweder von Anfang an abwesend, sie entziehen sich ihrer Verantwortung oder huldigen einer grausamen Pseudo-Moral.

Einige sterben an den Spätfolgen einer Asbestvergiftung, die aus der Zeit herrührt, als ganze Familien in den 1970er-Jahren auf der Suche nach einem besseren Leben aus Süditalien in die Schweiz emigrierten. Jahrzehnte später schildert Desiati das Leben der unkonventionellen Mimi, die sich mit Tochter Arianna als alleinerziehende Mutter durchschlägt.

Vielleicht glorifiziert er die Freuden der Unabhängigkeit ein wenig zu sehr und legt zu viel Pathos in die Schilderung einer Teenager-Liebe, die über die Jahre ihren Heiligenschein verliert. Schließlich hat Mimi diese Entwicklung nicht ganz freiwillig vollzogen. Dennoch ist "Zementfasern" dank eines leichten Zungenschlages ein Lesevergnügen. Desiati, Jahrgang 1977, hauptamtlich Lektor und Journalist bei "La Repubblica", hat damit bereits seinen zweiten Roman vorgelegt, den ersten in deutscher Übersetzung. An diesem Sonntag liest Mario Desiati beim Harbour-Front-Festival in der St.-Pauli-Kirche.

Mario Desiati liest aus "Zementfasern" So 16.9., 19.00, St.-Pauli-Kirche (S Reeperbahn), Pinnasberg 80, Karten 12,-; www.harbour-front.org