Die Schau Albert Watson “Visions feat. Cotton Made in Africa“ vereint in den Deichtorhallen Glamour mit Reportage

Hamburg. Mit heiligem Ernst blickt die junge Frau in die Kamera. Gleichzeitig stolz, friedvoll und ganz offensichtlich unbeeindruckt angesichts der Tatsache, einem berühmten Fotografen gegenüber zu stehen. Selten sah man die Menschen Benins so magisch in Szene gesetzt, wie in diesen Bildern Albert Watsons in der Ausstellung "Visions featuring Cotton Made In Africa", die von heute an bis zum 6. Januar kommenden Jahres im Haus der Photographie zu sehen ist.

Sie verbindet hochkarätige Fotokunst mit dem guten Zweck, die sehr unterstützenswerte Initiative "Cotton Made In Africa" ins Rampenlicht zu rücken. 2005 ins Leben gerufen vom Hamburger Unternehmer Michael Otto fördert die Stiftung 450 000 Kleinbauern in sechs afrikanischen Ländern mit dem Ziel, diese auf dem subventionierten Weltmarkt konkurrenzfähig zu machen. Mit 350 Arbeiten wagt die Schau einen Spagat von Models und Stars bis zu Baumwollbauern in Benin. Denn das Oeuvre des agilen und dabei so angenehm zurückhaltenden Schotten, der 1970 in die USA ging und seit 1976 in New York residiert, ist ausufernd und findet nicht in ein paar Schubladen Platz.

"Diversity is my Philosophy", sagt Albert Watson, lässig in Schwarz mit seinem Markenzeichen, der umgedrehten Schirmmütze auf dem Kopf, leise lächelnd. Porträt, Reportage oder Stillleben - da mag er sich bis heute nicht festlegen. Der studierte Grafikdesigner hat das ohnehin gut bestellte Feld der Celebrity- und Mode-Fotografie in den 1980er- bis Anfang der 1990er-Jahre entscheidend mitgeprägt. In seinen Arbeiten spiegelt sich die Ära der Supermodels wie der Hollywoodstars in akkurat inszenierter Schwarz-Weiß-Fotografie. Eine ganze Aktserie hat er in Marokko mit der jungen Kate Moss geschossen, die damals schon auf dem Weg zur Ikone war. Daneben hängen Hollywoodstars wie Uma Thurman, lässig rauchend in der Garderobe, Jack Nicholson im Zerrspiegel, Gary Oldman dramatisch in einem Sarg, Johnny Depp in Feinripp - und Alfred Hitchcock mit Gans.

Diese Bilder haben in ihrer Pefektion und ihrem vollendet gesetzten Licht längst ikonischen Charakter und finden sich in der Ausstellung ebenso wie hochästhetisch Inszeniertes aus der Modewelt. Zehn Millionen Fotografien hat die Arbeitswut des heute 70-jährigen Albert Watson bislang hervorgebracht. 250 Cover der "Vogue" gehen auf sein Konto. Hinzu kommen Dutzende Strecken im "RollingStone"-Magazine. Hier eine Geschichte mit Hip-Hopper 50 Cent, dort die unbekleidete, junge Sinéad O'Connor neben einer Engelsstatue. Kurator Ingo Taubhorn konnte ihm in seinem New Yorker Studio auch noch allerlei Polaroidbögen abschwatzen, sodass der Besucher nun sieht, unter welchen Motiven er das beste der häufig vor die Linse geratenen Pop-Schönheit Sade Adu auswählte.

Aber genauso wie Watson Stars aus ihrem Inneren heraus schöner und bedeutsamer aussehen lässt, bringt er das Wesen der Bewohner Benins in einem sozialen Moment zum Leuchten. Bei der Baumwollernte. Im Friseurladen. Mit dem Python um den Hals. Die größte Kunst des Albert Watson liegt wohl darin, bei jedem Menschen den gleichen anthropologischen Blick anzuwenden und mit ihm die Wirklichkeit nachhaltig zu durchdringen. Fast alle seine Arbeiten erinnern auch an große Gemälde. Man liest Spuren darin vom deutschen Expressionismus, auch vom Konstruktivismus. Bis heute nennt er das deutsche Avantgarde-Magazin "Twen" aus den frühen 1960er-Jahren als maßgeblichen Einfluss.

In den 36 Benin-Arbeiten kommt der Entdecker und akkurate Beobachter Watson zum Tragen, wie man ihn bereits aus den ebenfalls ausgestellten Landschafts- und Porträtaufnahmen aus Marokko oder Las Vegas kennt. Zwölf Tage lang hat er sich täglich zwölf Stunden lang durch das staubige und heiße Land vorgearbeitet. Vor allem der schwer zugängliche Norden faszinierte ihn. Das karge, harte Leben. Die unterschwellig mitschwingende Voodoo-Tradition. Im Gegensatz zu etwa Henri Cartier-Bresson fotografiert Watson seine Objekte immer offen. Um die Vintage-Abzüge kümmert er sich höchstpersönlich.

Seine jüngsten Arbeiten eröffnen eine andere Sicht auf Afrika. Nicht jene der Konflikte und Probleme, sondern eine der puren Schönheit. Gewiss sind auch die Porträts dieser häufig in folkloristische Gewänder gehüllten Menschen nicht frei von Exotismus. Dennoch wirken sie bei ihm nicht überästhetisiert, sondern strahlen mit einem wahrhaftigen Ausdruck über sich hinaus.

Albert Watson: Visions feat. Cotton Made In Africa 14.9.2012 bis 6.1.2013, Deichtorhallen/ Haus der Photographie, Di-So 11.00-18.00, jeden 1. Do im Monat 11.00-21.00 (nicht an Feiertagen); www.deichtorhallen.de