“Herz der Finsternis“ im Lichthof ist ein gekonnt inszenierter Trip ins Grauen

Hamburg. Eine Kunststoffplane verdeckt im Lichthof-Saal riffartig aufragend die Zuschauertribüne. Die Besucher stehen ratlos vor dem Hindernis. Sie fühlen sich fremd, unbequem ohne Sitzgelegenheiten, wie ausgesetzt. Ähnliche Orientierungslosigkeit empfand wohl Kapitän Marlow bei seiner Ankunft im Kongo in Joseph Conrads Erzählung "Herz der Finsternis".

Auf den Spuren von dessen Flussreise steigert Felix Meyer-Christian in seiner Multimedia-Performance nach Conrads Stoff die Dosis an Irritationen: mit erzählten Schreckensszenen, grotesken Tänzen und dem tödlichen Schlussritual gespenstischer Lemuren. Er zeigt im szenischen Essay über die Angst vor dem Fremden und die anmaßende Herrschaft der Kolonialherren über die "Wilden", wie "zivilisierte" Menschen Schritt für Schritt zu den von ihnen verachteten, versklavten und vernichteten "Monstern" mutieren.

Ein Dutzend Donnerbleche begrenzt in der Rauminstallation von Eylien König die Spielfläche, bildet den undurchdringlichen Wall des Urwalds und dient zugleich als Projektionsfläche für Signe Koefoeds atmosphärische Videomontage. Die beängstigend intensive Tänzerin und Choreografin - inspiriert durch Afro-Tanz und den an Exzess und Körpergrenzen rührenden japanischen Butho - verkörpert das Fremde in der Konfrontation mit den die Conrad-Prosa sprechenden Schauspielern Lisa Flachmeyer und Meyer-Christian.

Der Regisseur, für den erkrankten Paul Walther eingesprungen, las zwar den Text, agierte jedoch mit, sodass der Trip ins Grauen ungehindert seinen Sog entfalten konnte. So spannte Meyer-Christian in der Szenen-Collage auch den Bogen von den mörderischen Machenschaften der weißen Elfenbeinhändler bis zu den skrupellosen Waffenverschiebern in gegenwärtige Kriegszonen.

In der zuweilen quälend rituellen "Austreibung des Bösen" macht es Felix Meyer-Christian, ein entschiedener Moralist, weder sich noch dem Publikum einfach. Doch packt er am konzessionslosen Abend, ähnlich seinen anderen historisch-kritischen Recherchen, ein verdrängtes heißes Thema an. Und baut - mit gedanklicher Schärfe und künstlerischer Widerständigkeit - eine artistische Stromschnelle in den sich konsumfreundlich und träge dahinwälzenden Theater-Mainstream.

"Herz der Finsternis" weitere Vorstellungen vom 27. bis 30.9., 20.15, Lichthof, Mendelssohnstraße 15 (S Bahrenfeld), Karten unter T. 85 50 08 40; Infos im Internet: www.lichthof-hamburg.de