Ungewöhnliche Premiere: Das Kleinkunst-Theater bringt Edward Albees Zimmerschlacht “Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ heraus.

Polittbüro. Zwischen Frau und Mann herrscht immer Krieg. Edward Albees "Wer hat Angst vor Virginia Woolf ?" ist ein amerikanischer moderner Klassiker in der Nachfolge von August Strindberg und Eugene O'Neill. Der Ehekrach hat sich seit der Verfilmung mit Elizabeth Taylor und Richard Burton 1966 als Dauerbrenner auf deutschsprachigen Bühnen gehalten. Er war 2011 in Berlin mit Katja Riemann zu sehen, das Jahr davor in Zürich, auch Jan Bosse hat die Eheschlacht an der Wiener Burg entfesselt.

Nun bringt die Kleinkunstbühne Polittbüro "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?" als Eigenproduktion heraus. Das Theaterprojekt ist für die Leiter Lisa Politt und Gunter Schmidt ein so ungewöhnliches wie mutiges und riskantes Unternehmen. Sie haben Erik Schäffler als Regisseur an den Steindamm eingeladen. Der Teufel im "Hamburger Jedermann" schien ihnen der rechte Regie-Diabolus zu sein, um Politt und Oliver Törner als Martha und George die Ehehölle heiß zu machen. Jantje Billker und Tommaso Cacciapuoti spielen das junge Paar Putzi und Nick zwischen den Fronten.

+++ Jedermanns Geliebte +++

"Das Stück lädt uns zu einer Schatzsuche ein", sagt Erik Schäffler. "Ich hätte nie gedacht, dass es so gut geschrieben, so gut gebaut und so heutig ist." Die Auseinandersetzungen zwischen den Figuren, die Inhalte, um die es dabei gehe, seien zeitlos. "Zwei Paare stehen sich mit ihren Erwartungen, den Rollenklischees und unerfüllten Wünschen im Weg." Martha und George ließen bei ihrer Abrechnung nichts mehr aneinander gelten. "Sie betreiben Eigenentmündigung, reißen sich sämtliche Masken vom Gesicht, verletzen sich und den Partner bei ihrer gnadenlosen Wahrheitssuche tief."

Der Dreiakter um Liebe, Lebenslügen und Leidenschaft sei aber auch eine Komödie, betont der Regisseur. "Ringen zwei Menschen in der Not miteinander, ist das doch auch immer komisch für Dritte zu beobachten. Auch wenn das manchmal schmerzhaft wird, gibt es doch viel zu lachen. Deshalb passt das Stück auch wunderbar ins Polittbüro."

Die Vorlagen sind jedoch ziemlich steil, die Zimmerschlacht tobte schon etliche Male über Hamburgs Bühnen: Daniela Ziegler und Wolfgang Hübsch traten 2001 am Ernst-Deutsch-Theater gegeneinander an; 2004 bekriegten sich im St.-Pauli-Theater Hannelore Hoger und Gerd Böckmann in Wilfried Minks' Inszenierung. Und 2007 gab es ein unvergessenes Gastspiel des Deutschen Theaters Berlin am Thalia: In Jürgen Goschs reduzierter Regie brillierten Corinna Harfouch und Ulrich Matthes als Kampfhähne.

Das kann Lisa Politt nicht schrecken. Sie reizt die schauspielerische Herausforderung der Martha. "Ich habe in meinen Kabarett-Figuren auch schon immer Rollen und Figuren komödiantisch gestaltet." Politt sucht nach ihrem persönlichen Zugang zu Stück und Figur, sieht beide auch im Kontext ihrer Entstehung in den frühen 1960er-Jahren. "Für die damalige Zeit, in der Doris Day das weibliche Idol verkörperte, war es für eine Frau völlig unangemessen, Macht haben zu wollen", sagt Politt. Wenn Martha als Tochter des College-Präsidenten schon nicht die leitende Position bekommen könne, sollte sie zumindest ihr Mann innehaben. "Aber der ist ein Versager, hat etwas von einem gescheiterten intellektuellen Weichei." Trete ein junger Typ auf den Plan wie Nick, trete er den Rückzug an oder rette sich in einen zynischen Witz, um den Gegner auszumanövrieren und schachmatt zu setzen.

Martha und George seien beide mit ihren Geschlechterrollen unzufrieden. Auch weil sie deren Klischees nicht erfüllten. Weder Karriere noch Kinder. Politt wird soziologisch: "Das Stück weiß, dass dieses verzweifelte und überschätzte Glücksversprechen in der Zweierbeziehung als Ersatzschaukampfplatz für gesellschaftliche Auseinandersetzung absolut ins Elend führt." In diesem nächtlichen, handgreiflichen wie verbalen Schlagabtausch gehen Martha und George das höchste Risiko ein. "Sie setzen in einer äußersten Zerreißprobe ihre Beziehung aufs Spiel." George erkenne, dass er die Spinnerei vom gemeinsamen Sohn, zerstören müsse, damit beide noch eine Chance haben. Politt wie auch Schäffler sehen in diesem verzweifelten Versuch ein Versprechen auf Hoffnung.

"Wer hat Angst vor Virginia Woolf?" Premiere 11. September, 20.00, Polittbüro (S/U Hbf.), Steindamm 45, danach bis 29.9. u. 1.-3.10., Karten zu 20,-/erm. 15,- unter T. 28 05 54 67; www.polittbuero.de