Eine Doku erinnert an Kurt Georg Kiesinger, den “vergessenen Kanzler“. Der Film zeichnet das Bild eines überwiegend gescheiterten Politikers

Mit nur knapp drei Jahren hatte Kurt Georg Kiesinger die kürzeste Amtszeit aller Bundeskanzler. Zu später Stunde zeigt die ARD heute eine Doku über Kiesinger, der Autor Ingo Helm den Titel "Der vergessene Kanzler" gegeben hat. Mit historischem Film- und Fernsehmaterial, vor allem aber mit Einschätzungen seines Biografen Philipp Gassert sowie von Weggefährten, Kollegen und einstigen Gegnern zeichnet der Film das Bild eines überwiegend gescheiterten Politikers, dessen Tragik vor allem darin bestand, die gesellschaftliche Dynamik der 1960er-Jahre nicht verstanden zu haben.

Das Verhältnis zwischen dem ehemaligen NSDAP-Mitglied und seinem Vizekanzler und Außenminister, dem Nazi-Gegner und ehemaligen Exilanten Willy Brandt, war zwar äußerst distanziert, in Sachfragen lagen die beiden so unterschiedlichen Politiker jedoch oft nicht weit auseinander. Das betrifft zum Beispiel die neue Ostpolitik, die Brandt nach seinem Wahlsieg durchsetzen konnte, der Kiesinger, anders als viele seiner CDU-Kollegen, keineswegs ablehnend gegenüberstand.

Kiesingers Schwachstelle blieb seine NS-Vergangenheit, die ihn angreifbar machte und zu einem Feindbild für die junge Generation werden ließ, deren Vaterfigur er viel lieber gewesen wäre. Dabei belegen historische Dokumente, dass der konservative Politiker zwar im NS-Staatsapparat eine steile Karriere gemacht hatte, selbst aber kein fanatischer NS-Täter gewesen ist. Der Film schildert ein gesellschaftliches Klima, in dem die Aufarbeitung der Vergangenheit einerseits erst langsam in Gang kam, andererseits NS-Vorwürfe gegenüber Kiesinger nicht nur von politischen Gegnern erhoben, sondern auch von Konkurrenten aus der eigenen Partei instrumentalisiert und gezielt gestreut wurden.

Doku: "Kurt Georg Kiesinger - Der vergessene Kanzler" Montag, 10. September, 23.30, ARD