Ein Kommentar von Tom R. Schulz

Oper live aus der Met im Kino in Wandsbek? Berliner Philharmoniker im Internet? Das kennen wir. Heute und morgen erlebt Hamburg neuen virtuellen Kunstgenuss: Die Wiener Staatsoper lässt auf dem Vorplatz unserer beliebten Kultur-Großbaustelle an der Elbe ein potemkinsches Dorf errichten, das der Fassade der Wiener Staatsoper täuschend ähnlich sieht, und bietet dem Publikum zwei Abende lang die Live-Übertragung zweier Opern-Inszenierungen an. Das Ganze hat die findige Wiener Tourismusorganisation eingefädelt, der Kultur-Export ist also nicht ganz uneigennützig, ein Reiseunternehmen ist mit von der Partie. Wer es auf dem Elbphilharmonie-Vorplatz bei "L'elisir d'amore" oder bei "Don Carlo" allzu zugig findet, der will das nächste Mal bestimmt am Ring im Trocknen sitzen. Die Technik können die Wiener: Unter dem Titel "Live am Platz" gibt es immer wieder Umsonst-und-draußen-Übertragungen des Geschehens im ehrwürdigen Haus.

Ob die Wiener derlei Werbung aus Hamburg bei sich dulden würden? Müde abwinken würden sie, verwöhnt wie sie sind mit schönster Musik und Oper aus eigener Produktion. Allenfalls eine Live-Übertragung vom "König der Löwen" dürfte den einen oder anderen Hund aus dem ersten Bezirk hinter dem Ofen hervorlocken. Und das Eröffnungskonzert der Elbphilharmonie im September 2020. Bis dahin lassen wir uns neben der Wiener Staatsopern-Fassade noch ein paar andere Ansichten von Kulturbauten vor die Baustelle nageln. Und streamen das Ganze aufs Rollfeld von BER.