Die BBC-Serie “Jane Eyre“ heute und morgen auf Arte ist ein Glücksfall für das deutsche Fernsehen. Und zeigt zugleich seine Defizite

"Ich wusste immer, wer ich war. Aber er war der Erste, der mich erkannt hat - und der liebte, was er sah." Dieser Satz ist wohl einer der zentralsten, mit denen die literarische Heldin Jane Eyre sich und ihre Liebe zu Edward Rochester charakterisiert. Es geht um Eigenständigkeit trotz größter Leidenschaft. Und um Seelenverwandtschaft, die Konventionen überwinden muss.

In der Verfilmung des Stoffs durch Susanna White fallen diese Worte nach mehr als 150 Minuten. Und bis dahin ist es keine Sekunde langweilig. Denn die Britin hat die Geschichte um die Emanzipation eines Waisenkindes, die Charlotte Brontë 1847 veröffentlichte, vor sechs Jahren als Miniserie für die BBC inszeniert. Und diese Reihen sind so etwas wie die Kronjuwelen des Senders. Dass Arte den Vierteiler nun an zwei Abenden in deutscher Fassung zeigt, ist ein Glücksfall. Und offenbart ein Defizit in der deutschen TV-Landschaft.

Die Engländer begnügen sich nicht damit, ihr literarisches Erbe im Theater stets aufs Neue zu interpretieren. Auch im Massenmedium Fernsehen gewinnen sie den eigenen Klassikern immer wieder frische Facetten ab. Jüngst war - ebenfalls auf Arte - zu sehen, wie sich Jane Austens "Stolz und Vorurteil" mit der Zeitreise-Story "Lost In Austen" gewitzt in die Gegenwart des Jahres 2008 überführen lässt. Die BBC-Adaption des Dramas von 1995 wiederum war wegen seiner herrschaftlichen Drehorte nicht nur eine gute Reklame für die historischen Landhäuser und Parks der Insel, sondern vor allem ein echter Straßenfeger. Bis zu elf Millionen Zuschauer verfolgten die einzelnen der insgesamt sechs Episoden mit (mittlerweile Oscar-Preisträger) Colin Firth als Mister Darcy. Die Abschlussfolge hatte einen Marktanteil von 40 Prozent.

Nun ist es ja nicht so, dass es hierzulande einen Mangel an zeitlos aktuellen Stücken gäbe. Doch statt diese traditionsreichen wie kollektiven Erzählungen beherzt anzufassen, sind filmische Aufbereitungen spannender Stoffe wie Goethes "Faust" in Deutschland an einer Hand abzuzählen und werden zudem im Theaterkanal versteckt. Dabei zeigen zum Beispiel Auslegungen wie die der "Jane Eyre", wie unterschiedlich die filmischen Ergebnisse sein können.

Regisseur Cary Fukunaga inszenierte den Roman erst im vergangenen Jahr mit Mia Wasikowska und Michael Fassbender als reduziertes Kammerspiel meisterhaft für die Kinoleinwand. Susanna White wiederum nahm sich 2006 für die BBC viel Zeit und Feingefühl, um die Annäherung der beiden zentralen Figuren und deren psychologische Entwicklung auszugestalten. Dass diese in Kostümen stecken, ist eher Schmuck als Notwendigkeit. Und die ein oder andere Traumsequenz ist dramaturgisch etwas zu gut gemeint. Doch zum Glück verlässt sich White hauptsächlich auf Ausstrahlung und Chemie ihrer starken Hauptdarsteller.

Ruth Wilson, die BBC-Fans auch aus der Krimiserie "Luther" kennen könnten, gibt die Jane Eyre mit Bravour. Fein justiert wechselt sie in ihrem Ausdruck zwischen Kampfgeist und Verletzlichkeit. Einerseits befreit sie sich mit Fleiß und Klugheit aus armen Verhältnissen, andererseits hat die Kindheit bei der harten Tante und im noch härteren Waisenhaus Wunden hinterlassen. Wie Jane dennoch zu einer in sich ruhenden, willensstarken und vorurteilsfreien Frau heranwächst, zeigt Wilson mal mit wunderbar eigensinnigem, mal mit tiefwarmem Blick. So richtig zündet die Geschichte aber erst, als sie auf dem Gut Thornfield Hall, wo sie als Gouvernante anfängt, dem Hausherrn Edward Rochester begegnet und sich in ihn verliebt.

Toby Stephens, unter anderem bekannt als Bösewicht Gustav Graves aus dem Bond-Film "Stirb an einem anderen Tag", erweckt das anfangs verrätselte Macho-Dasein des Edward Rochester herrlich grüblerisch und grantelnd zum Leben. In Sekundenbruchteilen schafft er es, sein Mienenspiel von bärbeißig auf strahlend umzustellen. Ein guter Beweis für das Erzählen von Liebe und ihren Abgründen, ohne dass es so rosamundepilchern muss wie bei uns.

"Jane Eyre" heute (1+2), Fr 7.9. (3+4), 20.15, Arte