Hamburg. Kann man Transzendenz handgreiflicher vermitteln? Wohl kaum. Die Hamburger Symphoniker haben auch die vierte Runde ihres Minifestivals "Verwandlungen" an ungewohntem Ort stattfinden lassen, nämlich im Eiskeller in Altona. Draußen rauscht das Stadtleben, drinnen herrscht fast italienische Sommerkühle, riecht es ein wenig modrig nach Weinkeller und alten Zeiten, das backsteinerne Tonnengewölbe ist schwach erleuchtet, und dann erklingt ein Cembalo. Nein, keine dieser 50er-Jahre-Nähmaschinen, sondern ein Instrument mit Farben und überraschendem Klangvolumen und einem Bass wie eine aufregende Kreuzung aus Kontrabass und Konzertflügel.

Die Tongebung verdankt sich natürlich auch der Spielerin: Hedwig Bilgram hat ein Gespür für die Selbstständigkeit der Stimmen, für die Zeit, die man braucht, um einen Akkord als Arpeggio aufblühen zu lassen oder eine Schlussfloskel zu finden, wie es vielleicht nur ein Cembalist haben kann. Die barocken Suiten von Louis Couperin, seinem heute berühmteren Neffen François und Antoine Forqueray spielt sie so verschieden, dass vor dem inneren Auge des Hörers drei durchaus schräge und eigensinnige Persönlichkeiten entstehen.

In diese gedankliche Essenz mischt das Vocalconsort Berlin zwei Werke, die rund 400 Jahre trennen und die doch hörbar ein ähnliches Anliegen haben: das "Miserere nostri" des Renaissancekomponisten Thomas Tallis und das "Lux aeterna" von György Ligeti, entstanden 1966. Der ganze Raum ist plötzlich von Klängen geflutet; die Töne mäandern, als wäre der kleine Keller eine Kathedrale. Und der Hörer ist bald so betört, dass er nicht mehr weiß, woher die Cluster, Harmonien oder auch Zischlaute kommen - so klar und drucklos führen die Sänger ihre Stimmen. Und führen, ganz im Sinne des Festivalmottos vor, was Transzendenz auch sein kann: das Verschmelzen von vielen zu einem Ganzen, das mehr ist als die Summe seiner Bestandteile.