Ein Kommentar von Joachim Mischke

In 22 Jahren kann aus Protest Folklore werden. Nach 22 Jahren sollte man wissen, was man will, wohin man möchte und warum. Als einige Lebenskünstler im Februar 1990 durch das Fenster einer ehemaligen Einkaufspassage kletterten, war der Berliner Osten noch wild, unberechenbar, kreatives Freiland. Die Investoren kamen erst später um die Ecke. Jetzt aber ist Schluss mit anders: Das Tacheles wurde nach langem, zähem Streit friedlich geräumt, die Räume versiegelt, die Schlüssel hat nun der Gerichtsvollzieher. 2011 wurde der Verkehrswert des Areals in bester Berliner City-Lage auf 35 Millionen Euro geschätzt. Eigentümer ist - eine Ironie dieser Geschichte - die HSH Nordbank, deren Image auch schon mal deutlich besser war.

Auf die Idee, das Berliner Kunsthaus an der durchtouristisierten Oranienburger Straße mit dem vor Abrissbirnen geretteten Hamburger Gängeviertel zu vergleichen, könnte man kommen, sie wäre dennoch keine gute. Zu groß sind die Unterschiede in der Historie, zu anders die Besitzer- und Besetzerverhältnisse.

Die einzige, wichtige Parallele ist die Moral dieser Geschichte: Das Tacheles hatte sich von einer kreativen Adresse in eine begehbare Inszenierung verwandelt, dort wurde wohl vor allem Anderssein gespielt. Am Ende kamen nur noch Touristen. Dieses Schicksal wird dem historischen Quartier in bester Hamburger City-Lage hoffentlich erspart bleiben.