Das Schauspielhaus startet mit René Polleschs “Neues vom Dauerzustand“ in die Saison

Hamburg. Der Autor und Regisseur René Pollesch ist seit über zehn Jahren eng mit dem Schauspielhaus verbunden. Da ist es programmatisch passend, ihn an diesem Donnerstag mit der Eröffnungsproduktion zu betrauen: "Neues vom Dauerzustand".

Polleschs Gedankenmaschine rotiert seit Wochen auf Hochtouren. Wie üblich jagt er eigene Ideen und aktuelle philosophische Denkentwürfe durch seinen Durchlauferhitzer, der am Ende eine originelle Form irgendwo zwischen Fernsehshow und Diskurs gebiert. Diesmal hat es dem Zeitdiagnostiker wie schon in seiner beim Theatertreffen gefeierten Großstadtsinfonie "Kill your Darlings! Streets of Berladelphia" die Liebe angetan. Die Liebe, die seiner Meinung nach heute niemanden mehr in den Selbstmord treibt.

Ein leeres Glücksversprechen, hinter dessen Sehnsucht nach Einzigartigkeit sich doch nur eine desillusionierende Austauschbarkeit verbirgt. Das klingt, zugegeben, reichlich ernüchternd. Die Liebe ist bei Pollesch, wie alle Lebensbereiche, ökonomisch durchdrungen. Sein erprobt dynamisches Theater der Hysterie wird er dazu allerdings kontrastreich in eine Südstaaten-Western-Szenerie verlegen, bekanntermaßen ein hochromantisch besetztes Genre.

Darin hetzt er diesmal unter anderem die Diven Sophie Rois, Margit Carstensen, Christine Groß und einen Chor aufeinander. Der darf sich herrlich an soziologischen Begrifflichkeiten erhitzen: "Wir hören immer noch die romantischen Geschichten von wahrer Liebe, aber während wir sie hören, wissen wir, dass wir uns nicht aus Liebe umbringen würden, obwohl der Tod aus Liebe ja verwirrenderweise Konsens ist neben all den Sicherheitsvorkehrungen, die man begrüßt." Pollesch wird aus Textsamples und schrill überzeichneter Szenerie eine Montage konstruieren, in der seine furchtlosen Darsteller als Gefangene des kapitalistischen Systems ihren irrwitzigen Wortwasserfällen freien Laufe lassen.

Die anbrechende Saison ist die nunmehr letzte unter dem geschäftsführenden Intendanten Jack Kurfess. Das Publikum muss sich auf eine Übergangsspielzeit einstellen, da die Hauptbühne umgebaut wird und die Inszenierungen auf ein "Spielfeld" in der verkleinerten Saalmitte ausweichen müssen. Aber auch das kann reizvoll sein.

"Neues vom Dauerzustand" Uraufführung Do 6.9., 20.00, Schauspielhaus (U/S Hbf.), Kirchenallee 39, Karten zu 18,50 bis 31,50 unter T. 24 87 10; www.schauspielhaus.de