Bei der Stamp-Parade ist die Klasse 10g der Kurt-Tucholsky-Schule mit zwei selbst gebauten Großpuppen, einem “Königspaar“, vertreten.

Altona. Der Lkw-Fahrer staunt nicht schlecht. Aus seinem Führerhaus heraus muss er nach oben gucken. Von wegen "König der Landstraße" - König Neptun und seine Königin ziehen an seinem Truck vorbei. Die sogenannten Großpuppen, jeweils gut fünf Meter hoch, biegen von der Eckernförder auf die Augustenburger Straße.

Teilweise selbst erstaunt und noch etwas zurückhaltend, begleiten die Schüler der Klasse 10g der Kurt-Tucholsky-Schule ihre Werke. Ein Praxistest. Jeweils zwei Schüler rollen König Neptun und seine Begleiterin bis zum Haus Drei. Das Altonaer Stadtteilkulturzentrum ist die Zentrale des Stamp-Festivals. "Stamp" steht für Street Arts Melting Pot, den Schmelztiegel für Straßenkünste. Mit 2500 Teilnehmern aus 20 Ländern ist es eines der größten europäischen Festivals seiner Art.

+++ Auf zum Stamp-Festival +++

Sambagruppen trommeln, Bläsergruppen spielen, Holzmaskengruppen zeigen sich, Stelzenläufer staksen, Maskenspieler und Kostümierte tanzen - wenn das Festival mit den beiden Stamp-Paraden an diesem Sonnabend und am Sonntag von der Hospitalstraße über Neue Große Bergstraße bis zum Altonaer Rathaus seinen Höhepunkt erlebt, werden Neptun und die Königin dabei sein. Die 10g hat die Großpuppen in einer Projektwoche gebaut.

"Hier sind einige Klassen sehr umtriebig, und die Schüler haben sich von dem Festival-Motto 'Verwandlung' inspirieren lassen", sagt Klassenlehrerin Hülya Kurunahmutoglu. Als eine von sieben "Kulturschulen" in Hamburg hat die Einrichtung an der Eckernförder Straße erneut versucht, ihr Prädikat mit Leben zu erfüllen.

König Neptun und seine Königin wären indes ohne das Hura-Kollektiv nicht auf den Weg gekommen: Die zwei professionellen Street-Puppets-Künstler aus Prag reisten im Juni an, um den Schülern der 10g beim Bau der Großpuppen zu helfen. "Ich habe erst eine Meerjungfrau gemalt, dann sprach ich mit einem der Künstler und habe eine neue Skizze gemacht, die wurde es dann", erzählt Habibe Kilci, 15, die Designerin der Königin. Dass sie und ihre Mitschüler eine Woche lang Englisch mit den Tschechen sprechen mussten, war ein zusätzlicher Lerneffekt.

Die 23 Schüler bohrten, schraubten und hämmerten, besprühten die Köpfe mit Graffiti, nähten die großen Stoffbahnen zusammen und besorgten die Rollen für die Großpuppen vom Flohmarkt. Hülya Kurunahmutoglu: "Die Klasse hat etwas geschaffen, das über den Unterricht hinaus ihren Wert hat." Mehr noch: Die Schüler wurden selbst zu Künstlern. 4500 Euro inklusive Material und Honorar für die Prager Künstler sowie Helfer vom Haus Drei kostete die Aktion. "Wir haben nicht die Eltern, die dafür Geld zahlen können", sagt Klassenlehrerin Kurunahmutoglu.

+++ Stamp-Festival eröffnet mit zwei Theaterstücken +++

Ob die Stadt Hamburg für solche Basisarbeit im Rahmen von Stamp zukünftig das Geld hat, ist offen. Lange Zeit war die Finanzierung des dritten Straßenkunst-Festivals mit einem Etat von 200 000 Euro wegen abgesprungener Sponsoren unsicher. Das Gros (40 000 Euro) gibt der Bezirk Altona, 29 630 Euro die Stadtentwicklungsbehörde, die Kulturbehörde nur eine Art "Handgeld" von 5000 Euro.

Deren Sprecher Stefan Nowicki sagt: "Wir begrüßen es, dass sich mit dem Stamp-Festival über die letzten drei Jahre in Ergänzung zur Altonale ein Altonaer Straßenkunstfestival entwickelt hat, das den Stadtteil Altona weiter belebt und für ein Wochenende in eine farbenfrohe Mischung aus Artistik, Musik, Jonglage und Pantomime verwandelt." Eine weitergehende Wertschätzung hört sich anders an.

Einen praktischen Nebeneffekt hat das Kunstprojekt in jeden Fall für Schüler der Kurt-Tucholsky-Schule: "Einige können jetzt richtig gut mit der Nähmaschine umgehen", sagt Lehrerin Hülya Kurunahmutoglu.

Stamp-Parade Sa 1.9., 20.00-23.00 und So 2.9., 12.00-16.00 Neue Große Bergstraße (S Altona), Eintritt frei: www.stamp-festival.de