Übernahme-Streit: Der Vertraute von Angelika Jahr räumt seinen Platz in Gütersloh, bleibt aber Chef von G+J

Hamburg. Es ist ein Dejá-vu, und doch ist alles ein wenig anders: Als gestern die Nachricht vom Rücktritt des Gruner+Jahr-Chefs Bernd Buchholz aus dem Vorstand des G+J-Mehrheitsgesellschafters Bertelsmann die Runde machte, musste so mancher in der Medienbranche an den Heiligabend des Jahres 2008 denken. Damals hatte Buchholz' Vorgänger Bernd Kundrun seine Demission aus dem Führungsgremium des Gütersloher Medienkonzerns bekannt gegeben. Vorangegangen war ein Bericht des "Manager Magazins", wonach Kundrun sich für die Übernahme des damals vakanten Vorstandsvorsitzes der ProSiebenSat.1 Media AG interessiert haben soll.

Auch im Fall Buchholz spielt das in Hamburg erscheinende Wirtschaftsmagazin eine nicht ganz unbedeutende Rolle. Vergangenen Donnerstag meldete es, dass der Wert von Gruner + Jahr innerhalb von nur zehn Jahren von 3,5 Milliarden auf 2,5 Milliarden Euro zurückgegangen sei. Eine nicht unerhebliche Mitschuld an dieser negativen Entwicklung trage Buchholz, dem das Blatt attestierte, er besitze die Zugkraft einer "Spielzeuglokomotive".

Hier jedoch enden die Parallelen: Im Fall Buchholz geht es nicht allein darum, den Abgang einer Führungskraft durch gezielt gestreute Indiskretionen zu beschleunigen. Es geht um die Zukunft von Gruner + Jahr, einem der größten europäischen Zeitschriftenhäuser, in dem Titel wie "Stern", "Geo" und "Brigitte" erscheinen. Bertelsmann möchte den Verlag komplett übernehmen, an dem die Hamburger Verlegerfamilie Jahr derzeit noch mit 25,1 Prozent beteiligt ist. Buchholz gilt als Manager, der das Vertrauen der Patriarchin Angelika Jahr genießt, die nach wie vor dem G+J-Aufsichtsrat angehört.

Das Verhältnis des Vorstandsvorsitzenden von Gruner + Jahr zu Bertelsmann-Chef Thomas Rabe gilt jedoch spätestens seit dem Jahreswechsel als gestört. Damals verhinderte Rabe in letzter Minute den Vollzug der bereits fertig ausgehandelten Übernahme des Marktforschungsinstituts YouGov durch das Zeitschriftenhaus. Umsatz und Gewinn der Marktforscher hätten nicht Rabes Vorstellungen entsprochen, heißt es in Gütersloh. Für Buchholz war das eine herbe Niederlage.

Klar ist, bei Gruner + Jahr muss etwas passieren. Auf digitalen Geschäftsfeldern bewegt sich der Verlag - im Gegensatz zur Konkurrenz - nur mit allergrößter Zurückhaltung. Noch als Geschäftsführer des "Sterns" fuhr Buchholz nach dem Zusammenbruch der New Economy die Aktivitäten von Stern.de radikal zurück. Der Wettbewerber Spiegel Online ließ sich von der Krise nicht irritieren und ist nun Marktführer. Auch heute noch scheint Buchholz mit der digitalen Welt etwas zu fremdeln. Erst kürzlich bündelte er die digitalen Geschäftsfelder seines Hauses - viel zu spät, sagen Kritiker.

Große Sprünge, etwa durch Zukäufe, konnte Buchholz in der digitalen Welt nicht machen. Seine Vertrauten beklagen, dass Gewinne stets an die Gesellschafter abgeführt werden mussten. Ins Unternehmen habe man nie investieren können. Dies sei der eigentliche Grund, weshalb der Unternehmenswert innerhalb von zehn Jahren um eine Milliarde Euro gesunken sei.

Doch im Prinzip ist es egal, wie man Buchholz' unternehmerische Leistung bewertet. Rabe will bei Gruner + Jahr einen Neuanfang, und dem steht der bisherige Chef des Zeitschriftenhauses im Weg. Unüberwindbare Hürden scheint es bei der geplanten Übernahme der Jahr-Anteile nicht zu geben. Die Verlegerfamilie soll mit einem Bertelsmann-Anteil von etwa fünf Prozent abgefunden werden.

Am Montag gab es eine außerordentliche Gesellschafterversammlung der Jahr-Holding, auf der sich Angelika Jahr über den Artikel im "Manager Magazin" beklagt haben soll. Sie trenne sich nur schweren Herzens von dem Zeitschriftenhaus, heißt es in Verlagskreisen. Da es aber nach wie vor keine Einigung darüber gibt, in welchem Verhältnis die G+J-Anteile der Jahrs in Bertelsmann-Anteile getauscht werden sollen, kann sich die Amtszeit von Verlagschef Buchholz noch etwas hinziehen. Kundrun gab 14 Tage nach seinem Rücktritt als Bertelsmann-Vorstand auch den Vorstandsvorsitz bei Gruner + Jahr auf. Am Hamburger Baumwall schließt man dagegen nicht aus, dass es noch zwei bis drei Monate dauern könnte, bis Buchholz das Zeitschriftenhaus verlässt.

Über Nachfolgekandidaten wird aber schon jetzt spekuliert. Auffällig ist dabei, dass besonders hoch Manager gehandelt werden, die zwar kaum Erfahrungen mit dem Print-Geschäft haben, dafür aber Vertraute von Bertelsmann-Chef Rabe sind. Immer wieder fällt etwa der Name von Thomas Hesse, bisher im Bertelsmann-Vorstand für Unternehmensentwicklung und Neugeschäft verantwortlich. Edgar Berger, der einst seine Karriere bei Bertelsmann begann und heute CEO International von Sony Music Entertainment ist, werden ebenfalls gute Chancen nachgesagt. Schließlich soll auch Fernando Carro, der die Direct Group Bertelsmann leitet, ein aussichtsreicher Kandidat sein.