Das Museum für Kunst und Gewerbe präsentiert seine Sammlungen Antike und Renaissance am kommenden Wochenende völlig neu. Weniger ist mehr.

Hamburg. Weniger ist mehr, hatte Museumsdirektorin Sabine Schulze ihren Mitarbeitern gesagt, als es um die Auswahl der Objekte ging. Gemeinsam mit den Designern des preisgekrönten Berliner Büros neo.studio neumann schneider Architekten diskutierten die Kuratoren Frank Hildebrandt und Christine Kitzlinger monatelang über jedes einzelne Stück, trafen schließlich eine Auswahl und setzten die Kunstobjekte auf oft außergewöhnliche Weise in Beziehung. Nun sind es immer noch knapp 1500 Kunstwerke, die in den am Wochenende neu zu eröffnenden Sammlungen Antike und Renaissance präsentiert werden: altägyptische und griechische Plastiken, Vasen mit Götterbildern, koptische Textilien, aber auch Augsburger Goldschmiedearbeiten, Figuren aus Elfenbein, Naturalien und Kuriositäten, bei denen es sich oft um Objekte von unschätzbarem Wert handelt.

"Ich scheue mich nicht, von Inszenierungen zu sprechen", sagte Sabine Schulze beim gestrigen Presserundgang: "Wenn wir die Menschen auch emotional ansprechen wollen, dürfen wir nicht nur Wissenschaftler, sondern müssen auch Theaterregisseure sein. Schließlich erzählen wir von menschlichen Dramen."

Für Museumsleute alter Schule, die strenge Chronologien gewohnt sind und gerade bei Kunstgewerbesammlungen die Objekte strikt nach Materialgruppen und Herkunft ordnen und aneinanderreihen, dürfte das Konzept gewöhnungsbedürftig sein, dafür ist es überraschend und rückt die einzelnen Objekte so in den Fokus, dass sie Geschichten preisgeben: Man betrachtet zum Beispiel eine bislang aus konservatorischen Gründen noch nie ausgestellte koptische Kindertunika aus einem Grab der Spätantike und macht sich Gedanken über Zeit und Ewigkeit und darüber, wie diese Kostbarkeit so viele Jahrhunderte überdauern konnte.

Faszinierend ist aber zunächst die durchaus mutige Kombination zwischen den jahrhunderte-, manchmal jahrtausendealten Objekten und der absolut heutigen Farbgebung der insgesamt 16 Räume, in denen sie zur Schau gestellt werden.

Dabei sind Raumbilder entstanden, die aufgrund der Farbgebung und Gestaltung zunächst eine Grundstimmung und ein Gesamterlebnis schaffen, von dem aus der Blick dann auf das Detail gelenkt wird. Die Kunstwerke werden stets im thematischen Kontext präsentiert, gern auch über mehrere kunstgeschichtliche Epochen hinweg. Im thematischen Zusammenhang des Hellenismus findet man zu Beispiel auch eine silberne Augsburger Prunkschale von 1670, weil sie ein Bildnis Alexanders des Großen zeigt und auf die Antikerezeption der Renaissance verweist.

Gerade an solchen Details wird deutlich, wie sinnvoll es ist, die Antike in räumlicher Verbindung mit der Renaissance, der Zeit ihrer Wiederentdeckung, darzustellen.

Es bieten sich sehr unterschiedliche Möglichkeiten, dieser großartigen Sammlung zu begegnen: Man kann nach kulturgeschichtlichen Beziehungen suchen, sich die mythologische Bedeutung der einzelnen Darstellung oder die Stilentwicklungen vor Augen führen, aber vielleicht auch nur die Schönheit der künstlerischen Ausführung genießen. Die Art und Weise, mit der die Ausstellungsmacher die einzelnen Objekte in den Blickpunkt gerückt haben, macht auch dazu Lust.

Und für den Anfang reicht es vielleicht aus, einfach die an wunderbaren Dingen so reiche Raumabfolge mit ihrer wechselnden Farbigkeit und der faszinierenden Lichtregie auf sich wirken zu lassen.

Einer der Höhepunkte ist in der Abteilung Renaissance die Kunst- und Wunderkammer, die an einen überdimensionalen Setzkasten erinnert. Es ist die Rekonstruktion jener im 16. Jahrhundert von Fürsten und reichen Bürgern angelegten Sammlungen, für die sie die bemerkenswertesten Beispiele göttlicher Schöpfung (Naturalien) und menschlichen Erfindungsgeistes (Kunst und Wissenschaft) zusammentrugen. Diese Kunstkammern waren die Vorläufer unserer heutigen Museen. In einem halbrunden Raum mit violettem Grundton, der sich durch eine Spiegelwand auf raffinierte Weise verdoppelt, sind Gefäße aus Perlmutt und Koralle, ein vergoldeter Trinkspielautomat, Perlen und Straußeneier und ein Nautiluspokal zu sehen. Hier kann man auch Kostbarkeiten völlig neu entdecken, die es zwar bereits in der früheren Dauerausstellung gab, die dort aber kaum zur Geltung kamen. Wie zum Beispiel das unglaublich kunstvolle und detailreiche, im 17. Jahrhundert von einem Franziskanermönch aus Olivenholz, Perlmutter und Knochenbein geschaffene Modell der Jerusalemer Grabeskirche.

Die früher im ersten Stock präsentierte Antikenabteilung stammte noch aus den 1970er-Jahren, die Präsentation des Kunsthandwerks der Renaissance war sogar noch älter. Seither haben sich die Sehgewohnheiten der Besucher und ihre Ansprüche enorm verändert. Umso dringender war die Neugestaltung, die etwa eine Million Euro gekostet hat. Finanziert wurde sie von der Kulturbehörde, der Campeschen Historischen Kulturstiftung, Georg W. Claussen, der Justus-Brinckmann-Gesellschaft und der "Zeit"-Stiftung.