“Der Ghetto-Swinger“ bringt Bruchstücke einer Musikerbiografie auf die Bühne

Am Ende des Gesprächs in der Hochphase der Proben sagt Gil Mehmert einen Satz, der an Brecht oder Biermann denken lässt: "Wie viel Spaß so was Schreckliches machen kann, und wie schrecklich manches ist, das Spaß machen soll." Der Satz erzählt viel über die Berufserfahrung des Regisseurs beim Musical, und er erfasst zugleich genau die Besonderheiten beim Erarbeiten des Stücks "Der Ghetto-Swinger", mit dem er viele Jahre schwanger ging und das er jetzt an den Kammerspielen zur Uraufführung bringt.

Der Schrecken, das ist die Nazizeit, das sind die KZ, das ist die Geschichte, die das Stück erzählt. Es handelt vom Berliner Arbeiterjungen Heinz Jakob Schumann, der als Halbwüchsiger in den 30er-Jahren unbedingt Jazzgitarrist werden will, der als Halbjude ins KZ deportiert wird, der in Auschwitz "La Paloma" für die Aufseher spielen muss, während die Kinder ins Gas gehen. Und der die Lager überlebt, dank seiner Musik, die doch verboten war unter den Nazis: Swing. Der Spaß, von dem Mehmert spricht, ist der Spaß an einer Theaterarbeit mit einem kleinen Musiker- und Darstellerteam, das sich offenbar ideal ergänzt und die Tragweite seines schweren Themas so in der Balance halten kann, dass es zu schweben scheint.

Vor acht Jahren brachte Mehmert in den Kammerspielen eine wunderschön reduzierte, musikalische und verspielte Inszenierung des Kaurismäki-Films "Der Mann ohne Vergangenheit" auf die Bühne. Sein Hauptinteresse an Coco Schumanns vor 15 Jahren vorgelegtem Lebensbericht "Der Ghetto-Swinger" gilt den ersten 100 Seiten des Buchs, jenen Vorkriegs- und Lagerjahren, die Schumann jahrzehntelang in sich verschlossen hielt.

"Wir machen kein biografisches Stück", sagt Helen Schneider, die darin als eine Art Schutzengel von Coco auftritt, diesem unpolitischen Jungen, der einfach nur Musik machen will und den diese Liebe zur Musik am Leben erhält wie das Öl eine Flamme. Ihre (auch) amerikanisch geprägte Künstlerbiografie und der Swing-Sound ihrer Sprechstimme prädestinierten Helen Schneider für diese Figur, schwärmt Mehmert. Sie selbst beschreibt ihre Rolle als "nicht sehr feminin, eher neutral".

Weil Mehmert selbst Gitarrist ist, hält er nicht nur die Fäden der Inszenierung in der Hand, sondern auch den musikalischen Strang, der das Stück hält. Ein Sextett spielt den Swing so, wie er in den 30er-Jahren in Deutschland oft zu hören war: mit Akkordeon statt Klavier. Und der Schauspieler Konstantin Moreth hat für seine Rolle als Coco richtig gut Jazz-Gitarre spielen gelernt.

"Der Ghetto-Swinger" , 19.00, Vorstellungen bis 14.10., Hamburger Kammerspiele (U Hallerstraße), Hartungstraße 9-11, Tickets zu 18,- bis 36,- unter T. 0800-413 34 40 (gebührenfrei)