Das Programm des Festivals, dass seit 2006 vor allem jungen Talenten kleine und große Bühnen bietet, ist komplett. 270 Bands sind dabei.

Hamburg. Als die Beatles am 17. August 1960 ihren ersten Auftritt im Indra absolvierten, spielten sie der Legende nach vor einer Klofrau und zwei Damen des nicht senkrechten Gewerbes. Anschließend ging es in den Kaiserkeller, ins Top Ten und in den Star-Club - und weiter in die weltweite Beatlemania. Wenn man so will, liegt in dieser oft erzählten Geschichte auch einer der Ursprünge des Reeperbahn-Festivals.

Der "Hamburg Sound" der 60er ist die Wurzel der heutigen Klubkultur auf St. Pauli, ohne die das seit 2006 jährlich über den Kiez tobende Reeperbahn-Festival nicht existieren könnte. Und so präsentiert der dreitägige Musikmarathon dieses Jahr vom 20. bis zum 22. September 270 Bands in Indra, Kaiserkeller und über 30 weiteren Klubs, Bühnen, Plattenläden und Strip-Lokalen. Nicht zu vergessen ungezählte Lesungen, Ausstellungen und die beliebte Flatstock-Posterconvention.

Die Philosophie des Festivals bleibt so attraktiv wie bewährt. Keine großen Namen stehen im Mittelpunkt, sondern internationale Talente von heute, aus denen vielleicht schon morgen mehr werden kann. Ein Entdecker-Festival für "Ich war dabei, als sie noch keiner kannte"-Konzerte. So wie in den Vorjahren, als Bon Iver und Philipp Poisel, Lykke Li und Triggerfinger auf dem Kiez vorgestellt wurden und mittlerweile im Stadtpark spielen oder im Radio hoch und runter laufen. Oder Deichkind, die 2006 beim Reeperbahn-Festival ihren zweiten Frühling einläuteten und am morgigen Sonnabend für Tausende Fans Remmidemmi auf dem Hamburger Großmarkt machen.

Vielleicht gelingt so ein Schritt auch den diesjährigen Festival-Künstlern. Das Zeug dazu hätten viele. Da ist die fantastische Sängerin und Komponistin Olivia Pedroli aus der Schweiz, die ihre atmosphärisch dichten, komplexen wie leichtfüßigen Traumpop-Welten ihres Albums "The Den" live noch intensiver umsetzen kann als im Studio. Oder Perfume Genius aus Seattle und seine außergewöhnlichen Experimental-Songwriter-Ideen. Oder die Electro-Party-Garanten Neonschwarz aus Hamburg, ein neues wildes Pferd im Stall des Qualitätshauses Audiolith. Oder die holländische Antwort auf den Wu-Tang Clan, The Kyteman Orchestra aus Utrecht, das mit über 50 Mitgliedern eine durchgedrehte Hip-Hop-Oper inszeniert. Oder Synthie-Chanteuse Lights aus Toronto, die mit ihrem Dub-Step und Anti-Electro wahrlich auf der Höhe der Zeit schwebt.

Das sind nur einige Namen, die man sich merken sollte, und die auch schon viele der Journalisten, Labelvertreter und Booker des Festival-Branchenaustauschs "Campus" auf dem Zettel haben. Auch MTV-Urgestein Ray Cookes macht schon Notizen, um bei seiner täglichen Reeperbahn-Revue einige ausgesuchte Bands live zu präsentieren und gewohnt chaotisch auszufragen.

St.-Pauli-Besucher wie Dead Skeletons aus Island, Breton und Foxes aus England, Rebekka Karijord aus Schweden, Nadéah aus Australien, MonsterCat aus Singapur oder Lucille aus Israel mögen nur Insidern oder den Mitarbeitern ihrer Pop-Exportbüros ein Begriff sein, aber so mancher Künstler des Reeperbahn-Festivals ist durchaus geläufig. Der Stuttgarter Rapper Cro war jedenfalls zu schnell für die Organisatoren: Als er gebucht wurde, war er noch ein Geheimtipp. Jetzt hat er gerade mit seinem Album "Raop" die Spitze der deutschen Charts von den Amigos zurückerobert. Ähnlich lief es mit Fun aus New York. Sie übernehmen die Vorbild-Funktion auf dem Festival.

Und den zweiten Frühling erlebt vielleicht Eurovisions-Siegerin Lena Meyer-Landrut, die beim Festival erstmals die - selbst geschriebenen - Lieder ihres kommenden Albums "Stardust" live vorstellen wird. Wenn am Montag der Zeitplan scharf geschaltet wird, wissen wir auch, wann und wo.

Reeperbahn-Festival 2012 Do 20.9. bis Sa 22.9., diverse Klubs auf St. Pauli, Karten ab 32,- (Tagesticket) bis 65,- (3-Tagesticket) im Vorverkauf; www.reeperbahn-festival.com