Kid Kopphausen heißt die Band der Songwriter Nils Koppruch und Gisbert zu Knyphausen. Jetzt erscheint ihr Debüt mit dem schlichten Titel “I“.

Hamburg. Fangen wir mal mit dem CD-Cover an: Es ist äußerst gelungen. Nicht nur die Schrifttype erinnert an die Spaghetti-Western in den 60ern. Nils Koppruch und Gisbert zu Knyphausen sind nur ganz klein zu sehen; sie ducken sich unter das Dach des "I". So lautet der Albumtitel. Dabei sehen ihre schattenhaften Gestalten durchaus so aus wie Henry Fonda oder Charles Bronson. Nur ohne Cowboyhut. Knyphausen (Berlin, einst Hamburg) und Koppruch (Hamburg), die früher schon zusammen Songs geschrieben haben, machen nun erstmals auf Albumlänge gemeinsame Sache und heißen als Songwriter-Duo Kid Kopphausen.

Der "Kid Kopphausen"-Schriftzug auf dem Cover sieht so aus wie der auf dem Filmplakat von "Spiel mir das Lied vom Tod", aber Morricones morbider Charme hat mit den Songs der beiden in Americana geschulten Songschreiber dann doch nicht so viel zu tun. Im Gegenteil: "I" ist dem Leben zugewandt. Es ist das Werk zweier Asphaltcowboys, die da draußen nix zu verlieren haben und immer in der Mitte der Straße laufen: "Ich habe Geld wie Heu / Ich trag einen Hut aus Stroh / Immer da wo ich bin / da brennt es lichterloh / Ich lege Wert auf gutes Benehmen / Ich trag ein Messer zwischen meinen / schiefen Zähnen" - so singt es Gisbert zu Knyphausen im ersten Song "Hier bin ich".

Es ist das Werk zweier Suchender und Leidensmänner; welcher Musiker, der den Menschen etwas geben will, wäre das nicht: "Modern sind die Zeiten, so lange ich denke / Nur besser werden sie nicht", lamentiert Koppruch, der Mann in seinen mittleren Jahren, und der junge Knyphausen heult in sein Kissen: "Ein schales Bier, kurz nach halb vier / Ich taste nach Geschenkpapier / Was hast du nur aus mir gemacht".

Ja, was hat hier wer mit wem gemacht? Dass die gemeinsame Arbeit von Koppruch (Jahrgang 1965) und Gisbert zu Knyphausen (Jahrgang 1979) auf einer Wahlverwandtschaft beruht, darf man getrost annehmen. 2008 schrieben die beiden erstmals einen Song zusammen: "Knochen und Fleisch" erschien auf einer "Hinz&Kunzt"-CD im Rahmen einer Hamburger Obdachlosen-Initiative.

Koppruch, dessen Band Fink eine Art Gegenentwurf zur sogenannten Hamburger Schule war, ist ein deutlich vom Blues und Alternative Country inspirierter Musiker. Knyphausen gilt seit seinen allerorts gefeierten Alben "Gisbert zu Knyphausen" und "Hurra! Hurra! So nicht." als Junggenie unter den deutschsprachigen Liedermachern. Sein Sound ist im Indierock und im Folk zu Hause. Die Songs auf "I" haben Koppruch und Knyphausen in Teamarbeit verfasst, und mal war es der eine, dann wieder der andere, der den Kompositionen mehr seinen Stempel aufdrückte.

Das irrlichternde "Nur ein Satz" und "Das Leichteste der Welt" sind so eindeutig Knyphausen-Songs, wie "Im Westen nichts Neues" und "Meine Schwester" Koppruch-Songs sind: Man fragt sich nur ganz kurz, ob das so funktioniert - einmal Westerngitarre, dann wieder ein treibender Rockbeat und der schrammelnde Schönklang einer Indie-Gitarre. Klar geht das, sogar sehr gut.

Ryan Adams, der große amerikanische Songwriter, macht das seit Jahren vor. Die Kleinbürgerlichkeit - die Brüder im Geiste zeigen sich neuerdings auf manchen Fotos sehr gerne im gediegenen Gewand - lässt Kid Kopphausen jedenfalls nicht in seine Songs. Die Musiker wechseln im Krieg die Seiten, sie verbrennen ihre Herzen, sie rennen und kommen doch nicht vom Fleck. Sie fangen jeden Tag vor vorne an, nachdem sie aufgewacht sind. Sie glauben daran, dass ihre Sehnsucht sich erfüllt: so wie alle Menschen auf dem Erdenrund.

Wie universal Lebensgefühle aber sind und wie altersgebunden persönliche Befindlichkeiten, diese Frage schien sich den beiden Musikern nicht zu stellen. Und so summt Koppruch nun im Hintergrund, wenn Knyphausen seine ungestüme Hymne auf die Ungeduld anstimmt: "Ich warte schon so lang". Andererseits: Man wartet ja immer auf etwas, auf sie oder das Gewitter, das die Schwüle vertreibt, auf den ersten Saisonsieg seines Lieblingsvereins oder das nächste Bier.

Der schönste Vers auf diesem Werk, das abgegriffene Formulierungen nicht kennt, stammt von Knyphausen: "Jeder Tag ist ein Geschenk / Er ist nur scheiße verpackt". Kann man so sehen.

Koppruch und Knyphausen sind als Texter nicht schlechter als Sven Regener. Manchmal lakonisch, manchmal poetisch. Sie mögen beide Ton Steine Scherben, sind aber ganz unpolitisch. Sie machen Musik für Tiefgründige und für alle anderen auch.

Kid Kopphausen spielt am 17.9. ein Konzert im St.-Pauli-Theater. Der Auftritt am 30.8. in der Prinzenbar ist ausverkauft