Die verloren geglaubte Handschrift ist ein Glücksfall für die Forscher

Hamburg. Jahrzehntelang galt dieses wichtige Werk als verloren, denn seit Ende des Zweiten Weltkriegs war nichts mehr über den Verbleib der von dem Danziger Syndikus Wenzeslaus Mittendorp im 17. Jahrhundert verfassten Handschrift über die Hanse bekannt. Da die Kommerzbibliothek beim Bombardement von 1943 etwa 90 Prozent ihrer Bestände verloren hatte, musste man von einem Kriegsverlust ausgehen.

Das änderte sich erst am 10. August dieses Jahres. An diesem Tag besuchte der Historiker Magnus Ressel von der Bochumer Ruhr-Universität das Hanseatische Wirtschaftsarchiv in der Handelskammer und fragte nach dem Werk von Mittendorp. Die Archivleiterin Kathrin Enzel wusste zwar, dass es als Kriegsverlust geführt wird, wollte sich aber trotzdem noch einmal vergewissern. Sie ging in die Büchersammlung, deren Bestand sich mithilfe des alten handschriftlichen Katalogs nur schwer identifizieren lässt, und entdeckte dabei die verloren geglaubte Handschrift. Gestern teilte die Handelskammer den sensationellen Fund offiziell mit.

Es sind die letzten Jahre des bedeutenden Städtebundes, die Mittendorp in "Hanseatica oder Kurtzer Auszug aus den Hänsischen Recessen" schildert. So kurz ist die Darstellung aber gar nicht, schließlich umfasst das gebundene Werk fast 1000 Seiten. Im Mittelpunkt steht die ausführliche Beschreibung der wichtigen Hansekontore in London, Brügge, Nowgorod und im norwegischen Bergen und deren historische Entwicklung von der Mitte des 14. Jahrhunderts bis zum Jahr 1601.

Für die Hanse-Forschung, die gerade in den letzten Jahrzehnten zu völlig neuen Erkenntnissen gekommen ist, besitzt der Fund auch deshalb herausragende Bedeutung, weil Mittendorps Werk von Hanse-Historikern des 19. Jahrhunderts intensiv genutzt und als eine der wichtigsten Quellen zur späten Hansegeschichte bewertet worden ist. Für Hamburg ist die Wiederentdeckung ohnehin ein Glücksfall, auch weil bereits beim Großen Brand von 1842 wesentliche schriftliche Zeugnisse zur Hansegeschichte verloren gegangen sind. "Das Auffinden dieses Bandes wird der Hanseforschung in vielerlei Hinsicht bedeutende Anschübe geben", urteilt Magnus Ressel, dessen Anfrage zur Wiederentdeckung des Manuskripts geführt hat.