Das Kochbuch “Maria Luisa kann nicht anders“ ist mehr als eine Rezeptsammlung

Maria Luisa kennt jeden einzelnen Olivenbaum. Sie kocht mit Platterbsen und wildem Spargel, mit Nierchen und Steinpilzen. Die Linsen sind ein Familienheiligtum, der magische Duft von weißen Trüffeln durchzieht in der Hochsaison im November die Küche. Die italienische Köchin Maria Luisa Scolastra meint es Ernst mit dem Essen, mit Qualität und Genuss: "Ich koche, also bin ich", lautet ihr Motto. Alles, was sie auftischt in der Villa Roncalli in Foligno in der Nähe von Perugia, ist selbst gemacht. Brot und Pasta, Essig, Saucen und Desserts. Sie baut Gemüse selbst an, hält eigene (glückliche) Hühner und kennt den Vornamen ihrer Lieferanten.

Die Hamburger Werbetexterin Judith Stoletzky hat über die kompromisslose Köchin ein wundervolles Buch verfasst (ein "Koch-Bilder-Lese-Buch" heißt es auf dem Titel), das ins Regal jedes Menschen gehört, der beim Stichwort Essen an mehr denkt als an Tiefkühlpizza und Tütensuppe. "Maria Luisa kann nicht anders" ist - trotz verlockender, typisch umbrischer Gerichte wie etwa lauwarmer Sommergemüse-Nudelsalat mit Schweinelende und Thunfischsauce - nur in zweiter Linie eine Rezeptsammlung, zuallerst ist es ein Buch über die Liebe zum Essen. Kochbücher von italienischen "Mammas" und "Nonnas" gibt es dutzendweise, dieses ist anders: herrlich fotografiert, erzählt wie ein italienisches Familienepos. Maria Luisa liebt ursprüngliche, lebendige Nahrungsmittel. Mit großer Sorgfalt bereitet sie das Essen zu, versteht sich als Autorin eines Gerichts - "und wenn es gelingt, dann ist es ein Werk, ein Original, das ihre Signatur trägt", schreibt Stoletzky.

Im Frühling feiert die Köchin eine Kräuterorgie, wirft Minze in die Frittata und Sauerampfer in Suppen. Den Brotsalat Panzanella und Safranrisotto tischt sie im Sommer auf, schwarze Staudensellerie und Pilze aller Art im Herbst. Pinienkernen und Trüffeln, Salz und Stockfisch sind eigene Kapitel gewidmet. "Sie werden beim Nachkochen den klaren umbrischen Frühling, den heißen Sommer, den sanftmütigen Herbst und den üppigen Winter auf der Zunge spüren, auch in der heimischen Küche", verspricht der Klappentext. Überflüssig zu sagen, dass einem beim Lesen das Wasser im Mund zusammenläuft; dass man sehr dringend ein Stück Nuss-Rosinen-Brot mit Honig in den Mund stecken möchte, einen Happen Schwertfisch-Carpaccio mit Dinkel-Gemüse-Salat und anschließend Schoko-Mousse mit Vanille-Nuss-Sauce.

"Maria Luisa kann nicht anders" ist ein Kochbuch für Menschen, die gern in der Küche sind. Und für solche, die sich gern bekochen lassen; die wissen, wie viel Liebe und Zeit sich auf einem Teller paaren kann. Wie passend also, dass das letzte Kapitel des Buches der Zufriedenheit gewidmet ist: "Es gibt Gäste, die gar nicht mehr wegwollen. Die Maria Luisa am liebsten mitnehmen würden", heißt es über die Villa Roncalli. Wer gerade nicht auf Reisen gehen kann, sollte dieses Buch zur Hand haben.

"Maria Luisa kann nicht anders" Becker Joest Volk Verlag, 420 Seiten, 34,-