Die Hamburger Filmemacher Stefan Krohmer und Daniel Nocke beweisen mit “Riskante Patienten“ in der ARD ihren Sinn für schwarzen Humor.

Der erste Gedanke: O Schreck, eine Krebskomödie. Der zweite: Ach nee, ein Familienfilm im Homöopathenmilieu. Keine 20 Minuten sind vergangen, als der Zuschauer bemerkt, dass er sich mitten in einem Auftragskillerfilm befindet, in einer rabenschwarzen Komödie, in der im Folgenden ein gebrochenes Nasenbein, eine Walfang-Harpune und eine Damenhandtasche eine Rolle spielen, in der man nicht unbedingt eine geladene Waffe vermuten würde. Kann das gut gehen? Es kann. Immerhin ist das verantwortliche Duo hinter "Riskante Patienten" nicht irgendeines, sondern das vielfach preisgekrönte Kreativpärchen Stefan Krohmer und Daniel Nocke, beide in Hamburg lebend, die hier bereits zum zehnten Mal zusammenarbeiten.

"Riskante Patienten", ihr neuer Streich, ist ein Film, wie ihn die Coen-Brüder gedreht hätten, wenn sie Filme in Deutschland machen würden. Ein Film, der für deutsche Fernsehverhältnisse geradezu unerhört schräg ist, Erwartungen unterläuft und nicht ins Alberne abgleitet, nur weil gelacht werden darf.

Heilpraktiker Jan sieht sich gezwungen, einen Schlägertrupp zum Schutz seiner Familie zu engagieren. Der Exfreund seiner Freundin nämlich, der zehn Jahre hinter Gittern verbracht hat, will sich die Frau und das gemeinsame Kind zurückholen. Bei Rudgers Überraschungsbesuch in Jans Praxis, dekoriert mit Klangkugeln und einer Stoffpuppe Marke Handarbeitskreis, ist klar: Hier prallen zwei Welten aufeinander. Auf der einen Seite der Softie, der erst einen Kostenvoranschlag macht, bevor er zum Einkaufen aufbricht; auf der anderen der Typ in Lederklamotten (Martin Feifel mit Siebentagebart), der zuschlägt, bevor er denkt.

"Wir fanden es reizvoll, eine Figur in den Mittelpunkt zu stellen, die mit der Verbrecherwelt nicht das Geringste zu tun hat", sagt Regisseur Krohmer. Wohl kaum jemand könnte die Hauptfigur glaubhafter verkörpern als Devid Striesow, der das Objekt der Begierde von Sophie Rois und Sebastian Schipper in Tom Tykwers "Drei" war, viele Jahre Bella Blocks Assistenz und demnächst dem Saarbrücker "Tatort" neues Leben einhauchen soll. Am besten ist Striesow immer dann, wenn er Männer spielt, denen man über die Straße helfen möchte, die dann aber noch einen in der Hinterhand haben. So wie Jan.

Inspiration für Film und Figuren hat sich Krohmer beim amerikanischen Independent-Kino geholt, "in dem Gewalt zur Konfliktlösung dazugehört". Überhaupt ist "Riskante Patienten" mit seinem lakonischen Tonfall, seiner Gewaltästhetik und der Inszenierung von Kampfszenen viel mehr Kino als Fernsehen, mehr Sam Peckinpah als öffentlich-rechtliche Anstalt. Krohmer und Nocke, die oft von aus der Balance geratenen Beziehungen, Lebenslügen und Familiengründung erzählt haben, wagen sich hier auf um 20.15 Uhr wenig erschlossenes Terrain. "Es ging uns nicht in erster Linie um Authentizität, sondern um den Spaßfaktor", sagt der Regisseur. Herausgekommen ist eine Wellnesssatire (Bauchmassagen mit Bachwasser) mit Westernattitüde, die auch deshalb so unterhaltsam ist, weil die betrogene, krebskranke Patientin - furios gespielt von Corinna Kirchhoff - für die deftigsten Sätze sorgt ("Ich habe einen bösartigen Tumor im Bauch, ich kann tun und lassen, was ich will"); weil zu Schlägereien fröhlicher Bossa-nova-Sound erklingt, der Fußtritte beinahe wie Tanzeinlagen aussehen lässt.

Der viel zitierte genaue Blick, den die Filmemacher auf verschiedene Milieus werfen, ist hier einem treffsicheren Gespür für Situationskomik gewichen; einem Händchen für eine Dramaturgie, die die Schlinge um den Hals des von Haus aus konfliktscheuen Helden immer enger ziehen lässt.

Anfangs noch schwitzt Jan und sendet Stoßgebete zum heiligen Antonius. Später beauftragt er seinen Kumpel, der eine Auffangstation für verhaltensgestörte Pitbulls betreibt, mit der Drecksarbeit. Am Ende greift er selbst zur Waffe und beweist dem Zuschauer: Eine trübe Tasse ist dieser Kräuterdoktor jedenfalls nicht.

Der Showdown dieser in Ruhrpottfarben gehaltenen Komödie (produziert von Claussen+Wöbke+Putz) spielt in einer zum Wochenendhaus umfunktionierten Mühle, deren Mahlwerk kurzerhand wieder zum Laufen gebracht wird. Stefan Krohmer und Daniel Nocke haben in ihrer Karriere vielleicht schon bessere Filme auf den Bildschirm gebracht. Aber keinen schrägeren.

"Riskante Patienten" heute, 20.15 Uhr, ARD