Lediglich zwei Hände spielen das Stück “Kiss & Cry“ beim Sommerfestival auf Kampnagel

Kampnagel. Tänzer lassen schon mal kurz nur ihre Finger auf dem Boden oder dem Körper eines Partners tanzen. Das ist nicht ungewöhnlich, kommt sogar in John-Neumeier-Balletten vor. Aber die belgische Choreografin Michèle Anne De Mey und der Filmregisseur Jaco Van Dormael entwickelten daraus gleich ein 80 Minuten dauerndes Stück: die poetische Liebesgeschichte "Kiss & Cry".

Hauptdarsteller sind die zehn Finger einer männlichen und einer weiblichen Hand. Deren Annäherungen, Berührungen und Verschlingungen in einem Set auf der Bühne werden live von Kameras auf eine Großleinwand projiziert, zu einem Film der tanzenden Finger.

Die multimediale Bildergeschichte "Kiss & Cry" mit Musik und Text, Film und Fingertanz erzählt von einem zwölfjährigen Mädchen, das auf einer Zugfahrt von einem Jungen an der Hand berührt wird. Die sehnsüchtige Erinnerung an die Zufallsbekanntschaft bildet den roten Faden für das Opus im Walzerschritt.

Michèle Anne De Mey war schon zu Gast auf Kampnagel und beim Sommertheater, zeigte damals "reale" Choreografien, wie "Sinfonia Eroica". Im Gegensatz zu ihrer Kollegin Anne Teresa De Keersmaeker, die beim Festival "Elena's Aria", eine Wiederaufnahme von 1984, zeigte, präsentiert Mey ein Werk, in dem sie sich neu erfindet. Zur Verteidigung Keersmaekers sei aber gesagt: Ruhrtriennale-Chef Heiner Goebbels blockierte deren neuen Produktionen für sein Festival.

Jedenfalls ist das Wiedersehen mit den beiden Galionsfiguren des postmodernen belgischen Tanzes nicht nur für Sommerfestival-Nostalgiker eine Freude. Die Ex-Rosas-Kolleginnen sind im Duo "Fase" und in "Rosas danst Rosas" miteinander aufgetreten und gingen dann ihren eigenen Weg. Wohin er Michèle Anne De Mey hinführte, wird "Kiss & Cry" mit Jaco Van Dormael erweisen.

"Kiss & Cry" 22.-24.8., 21.00, Kampnagel (Bus 172/173), Jarrestraße 20, Karten von 12,- bis 36,- unter T. 27 09 49 49; www.kampnagel.de