Oh, wie heiß das wird: Tanzbare, authentische Sozialkritik mit den puerto-ricanischen Reggaeton-Stars Calle 13 am 17. August in der Fabrik.

Hamburg. Das Cover von "Entren los que Quieran" ist hoch explosiv. Es zeigt eine selbst gebastelte Bombe mit Zeitzünder und verdeutlicht die Haltung von Rene Pérez und Eduardo Cabra. Die beiden Halbbrüder aus Puerto Rico haben 2005 die Reggaeton-Band Calle 13 gegründet. Es war die Reaktion auf ein Attentat, dem der greise Guerilla-Führer Filiberto Ojeda Rios, der Gründer der "Macheteros", zum Opfer fiel. Verantwortlich für seinen gewaltsamen Tod machte René Perez das FBI. Nur einen Tag nach der Erschießung von Rios stellte er den Song "Querido F.B.I." ins Netz und erreichte damit schnelle Berühmtheit. "Hier gibt es 3,9 Millionen Messer, um den Arschlöchern die Zähne rauszuschneiden", rappte er. Gemeint waren mit diesem Fäkalausdruck die Amerikaner, die Puerto Rico als einen ihrer Außenbezirke mitregieren, ohne der Antilleninsel den Status eines US-Bundesstaates zu geben oder ihn in die Selbstständigkeit zu entlassen.

Es waren zuerst politische Motive, die Pérez und Cabra dazu brachten, diese Formation zu gründen und gegen die Vorherrschaft der Amerikaner zu rappen. Der Name des Duos geht auf ein Apartmenthaus zurück, in dem Rene Pérez in San Juan, der Hauptstadt von Puerto Rico, lebte und in dem man sich als Besucher anmelden musste. Er war der "El Residente", also der Bewohner, und Cabra "El Visitante", der Besucher. "Residente" und "Visitante" sind bis heute die Künstlernamen des Duos geblieben. Während "Residente" auf der Bühne im Mittelpunkt steht und zusammen mit anderen Rappern und einer zehnköpfigen Band die feurigen Shows von Calle 13 in Szene setzt, hält sich Gitarrist Cabra etwas mehr im Hintergrund. "Ich bin wie ein Geist, der nicht in Erscheinung tritt", sagt er. Der Multiinstrumentalist kümmert sich um den Sound der Gruppe, während Pérez die Texte schreibt.

Viele der Texte sind sozialkritisch wie "Baile de la pobres", der "Tanz der Armen" vom aktuellen Album "Entren los que quieran", das schon vor zwei Jahren beim Sony-Label erschienen ist. Inzwischen hat Calle 13 den Vertrag mit dem Unterhaltungsriesen wieder aufgelöst, um sich jedwede Unabhängigkeit zu bewahren. Doch nicht jede Nummer der Halbbrüder ist politisch oder agitatorisch. Pérez, der acht Jahre lang Kunst studiert hat und sich für den Dadaismus begeistert, versteht es, seine Kritik in Reimkunst zu formulieren, die nicht mit platten Parolen daherkommt. Wie zum Beispiel in "Latinoamérika", einer Ode an den südlichen, spanisch und portugiesisch sprechenden Teil Amerikas oder in "Digo Lo Que Pienso", wo "Residente" Perez deutlich macht, dass seine Sprache eine mächtigere Waffe ist als jedes Gewehr.

Calle 13 spricht denjenigen aus der Seele, die sich von den USA abnabeln wollen. Das ist ein Grund für den großen Erfolg des Duos und ihrer Musiker. Aber Calle 13 ist auch eine Party-Band. Viele ihrer Songs sind tanzbar, weil sie auf den typischen süd- und mittelamerikanischen Rhythmen basieren. Calle 13 schmeißt Afro-Cuban-Funk, Cumbia, Reggae, Rock und Hip-Hop in einen großen Topf und rührt daraus eine feurige Soße. Selbst osteuropäische Balkan-Beats finden sich in dieser Melange. Auch wenn viele der Texte gerappt sind, ist die Musik dichter an Jazz und Latin angesiedelt als am Hip-Hop.

Nicht nur in Puerto Rico, sondern auch in anderen südamerikanischen Ländern wie Venezuela, Kolumbien oder Argentinien ist Calle 13 eine große Nummer, wo sie in der Regel in Fußballstadien auftreten. Auf Kuba kam eine halbe Million Menschen zum Konzert. Stars sind es also, die am 17. August - wie schon 2010 - in der Hamburger Fabrik auftreten werden: Insgesamt zwölf Latin Grammys haben sie gewonnen, davon allein acht 2011 bei der Award-Show in Las Vegas für "Entren los que quieran".

Auch wenn die Texte von Perez kontrovers sind, hat der Rapper immer wieder betont, dass er Gewalt ablehnt. 2007 hat er sogar einen vom Gouverneur unterstützten Song veröffentlicht, in dem er die Gewalt in Puerto Rico anprangert, der in diesem Jahr schon wieder 600 Menschen zum Opfer gefallen sind. Insofern soll die Bombe auf dem Album-Cover kein Symbol für Anschläge sein, sondern ein Bild für die Explosivität der Musik und der Aussagen dieser heiß diskutierten Band.

Calle 13 Fr 17.8., 21.00, Fabrik (S Altona), Barnerstraße 36, Karten zu 18;- im Vorverkauf; www.lacalle13.com