... ist leider auch die traurigste: “Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ von John Green erzählt das Leben von drei krebskranken Teenagern.

Hamburg. Man weiß nicht mehr, wie oft man geweint und gelacht hat bei diesem Buch, wie oft man es zur Seite gelegt hat, um in den Himmel zu schauen, wie oft man es auf den Tisch gefeuert hat, weil es nicht mehr ging, wie oft man zurückgekehrt ist. Nur eines weiß man, und das ist auch der Satz, der über allem steht: Dieses Buch ist es wert. Jede Seite ist es wert. Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns, das hat Kafka einmal gesagt, und natürlich hatte er damit recht, nur ist das im Leben nicht immer so einfach.

So viele Bücher werden geschrieben, sie füllen unsere Regale, sie füllen Kartons, sie liegen irgendwann in staubigen Flohmarktkisten. Diesem Buch wird das nicht passieren. Dieses Buch ist eine Axt. Es ist vielleicht das traurigste, das Sie jemals gelesen haben. Aber noch trauriger wäre, es gar nicht zu lesen.

"Das Schicksal ist ein mieser Verräter" erzählt die Geschichte von Hazel, Gus und Isaac, drei Jugendlichen im US-Bundesstaat Indiana, die alle an Krebs erkrankt sind. Gus hat Knochenkrebs und eine Beinprothese, Hazel, die Ich-Erzählerin, Schilddrüsenkrebs mit Metastasen in der Lunge. Und Isaac, den es anfangs, so meint man, am schlimmsten getroffen hat, hat Augenkrebs. "Ich heiße Isaac. Ich bin siebzehn", stellt er sich im ersten Kapitel seiner Selbsthilfegruppe vor, "am Montag werde ich operiert, und danach bin ich blind. Ich will mich nicht beschweren oder so, weil ich weiß, dass es viele von uns hier schlechter erwischt haben, aber, na ja, blind werden ist irgendwie scheiße."

Einen Tag später macht seine Freundin Schluss. Natürlich bricht Isaac zusammen. Aber die drei Teenager ertragen die Situation zusammen, und sie ertragen sie so tapfer, abgeklärt und ungehemmt, dass man vor lauter Gänsehaut in der prallen Augustsonne fröstelt:

"Na ja, um fair zu sein", sagte ich, "wahrscheinlich erträgt sie es wirklich nicht. Du auch nicht, aber du musst es ertragen. Sie nicht." - "Ich habe ,für immer' zu ihr gesagt, ,für immer für immer für immer für immer', aber sie hat einfach weitergeredet und es nicht zurückgesagt. Es war, als wäre ich schon Geschichte, verstehst du? Aber ,für immer' war unser Versprechen! Wie kann sie ihr Versprechen einfach so brechen?" - "Manchmal wissen die Leute nicht, was sie versprechen, wenn sie es versprechen", sagte ich. - Isaac sah mich an. "Ja, klar. Aber man muss sein Versprechen trotzdem halten. Genau das ist doch Liebe. Liebe ist, das Versprechen trotzdem zu halten. Glaubst du nicht an die wahre Liebe?" - Ich antwortete nicht. Ich hatte keine Antwort. Aber ich dachte, falls es wirklich wahre Liebe gab, war das eine ziemlich gute Definition dafür.

Am Ende der 25 Kapitel wird Hazel eine Antwort haben, und es ist meisterlich, wie John Green den Leser bis dahin an die Hand nimmt, wie er einem in den Magen boxt, wieder aufhilft und irgendwann loslässt, dann läuft man allein weiter, weint mit den Eltern, lacht über Krebswitze, staunt über Gus' Coolness, fliegt mit ihm und Hazel nach Amsterdam. Und ist dabei, wenn sie sich im Anne-Frank-Haus zum ersten Mal küssen - ein großer Moment des Romans. Und wie sie schließlich zum ersten (und einzigen) Mal miteinander schlafen. "Es war das Gegenteil davon, wie ich es mir vorgestellt hatte (...). Es gab Kondomschwierigkeiten, die ich nicht genau überblicken konnte. Keine Bettlatten gingen zu Bruch. Es wurde nicht geschrien. Und wahrscheinlich war es die längste Zeit, die wir je miteinander verbracht hatten, ohne zu reden."

"Das Schicksal ist ein mieser Verräter" ist ein Jugendbuch. Das versteht man am Anfang nicht. Man fragt sich, ob dieser Stoff wirklich schon für 13- bis 16-Jährige geeignet ist, wie der Verlag empfiehlt. Der Autor John Green, Jahrgang 1977, muss es wissen, es ist sein inzwischen viertes Buch, schon vor seinem Erscheinen hier war es in den USA ein Bestseller. Und je tiefer man eintaucht in das Leben dieses 16-jährigen Mädchens, das Kitsch und Mitleid ungefähr genauso hasst wie die Wirkung seiner Krebsmedikamente, desto klarer wird es: dass man diese Geschichte nur so aufschreiben konnte.

In der Gedankenwelt und Sprache von Teenagern, die nicht leben könnten ohne Extreme. Alles oder nichts, es gibt kein Dazwischen. Es sind die Jahre, in denen man laut loslacht, gleich darauf weint, noch mehr Taschentücher holt, das Leben verflucht und dunkel versteht, warum es all das wert ist: weil man so viel spüren darf, im Guten wie im Schlechten, und jeden Tag wieder.

John Green liest am 12. September um 11 und um 20 Uhr auf dem Harbour Front Literaturfestival.

John Green: "Das Schicksal ist ein mieser Verräter". Hanser, 288 S., 16,90 Euro