Stephen Spenders “Der Tempel“ wird bei Männerschwarm neu aufgelegt

Die Konkurrenz zwischen Berlin und Hamburg existierte auch vor knapp 80 Jahren schon. Eine Gemeinsamkeit war damals vor allem zu beklagen: Anfang der 30er-Jahre schlägerten sich braune Horden durch die beiden größten Städte Deutschlands. Paul und William, zwei Engländer, leben in diesen düsteren Wendejahren der deutschen Geschichte in ebenjenen Städten. Sie sind die Helden in Stephen Spenders nun wieder auf Deutsch erscheinenden Roman "Der Tempel".

Zwei Dichter, der eine ein Alter Ego des Autors selbst, der andere dem (bekannteren) Schriftsteller-Kollegen Christopher Isherwood nachempfunden. Isherwood ("Leb wohl, Berlin") wohnt ab 1929 einige Jahre in Berlin, seinen Oxforder Kommilitonen Spender (1909-1995) verschlägt es zur gleichen Zeit nach Hamburg, wo er den Spross einer alteingesessenen Unternehmerfamilie besucht. Der junge Paul lernt die Kinder der Hamburger High Society kennen, lebt in einer Villa an der Alster und genießt den im Vergleich zum puritanischen England toleranten Lebensstil der zu Ende gehenden Weimarer Republik. Paul gehört zu einem homoerotischen Männer- und Künstlerbund, der unmittelbar vor dem Aufstieg des Nationalsozialismus zunächst fröhlich und ungebunden seine Jugend feiert. Die Schilderung einer Reise an den Rhein folgt der Beschreibung eines alten und doch bekannten Hamburgs.

Anlässlich einer Hafenrundfahrt lässt Spender aber ausgerechnet den aus Berlin Zugereisten das Loblied auf Hamburg singen: Die Menschen in Berlin seien aufregender, ja - "aber die Menschen reduzieren die Stadt auf ihre menschlichen Dimensionen, während der Hafen etwas ist vom Ausmaß - ja, vom Ausmaß des Mondes. Hamburg ist ein Ort steinerner Speicher und gigantischer Kräne - hmm! Stahlvögel! Berlin ist eine gewaltige Schleuse, ein Abwasserrohr."

Am 28. August findet im Literaturhaus ein Stephen-Spender-Abend statt. Mitwirkende: Detlef Grumbach, Tilman Krause und Samuel Weiss. Beginn 19.30 Uhr

Stephen Spender: "Der Tempel". Übers. v. Sylvia Leist-Beisler. Männerschwarm-Verlag. 302 S., 19 Euro